Montag, 19. November 2012

DAS KLEINE MÄDCHEN (Geschichte)

Die Panzer der einmarschierenden Truppen walzten alles nieder, was ihnen im Wege stand: PKWs, Straßenschilder, Marktstände und sogar Hausmauern. Geschosse zwitscherten als Querschläger durch die Luft und fanden oft einen menschlichen Körper als Endstation, aus dem dann nicht selten das Leben entwich. Immer wieder schlugen die Granaten der Panzerkanonen irgendwo ein und Granatsplitter sirrten umher. In manchem Keller und hinter mancher Häuserecke zitterten Menschen. Besonders die kleinen Kinder zitterten. Und mit vom Weinen geröteten und von Angst geweiteten Augen, schauten sie flehend und Schutz suchend zu ihren Eltern auf, an deren Hosenbeine oder Rockzipfel sie sich klammerten. Als die einmarschierenden Truppen schon fast die andere Seite der Stadt erreicht hatten, da ließ das Gewehr- und Geschützfeuer nach. Nur wenige der Erwachsenen haben zu einer Waffe gegriffen und den einmarschierenden Truppen hoffnungslosen Widerstand geleistet, der aber schnell gebrochen war. Diejenigen von ihnen, die nicht getötet wurden, flohen in die nahen Berge. Plötzlich kletterte ein kleines Mädchen hinter einem Mäuerchen hervor und näherte sich, über Trümmer und Geröll steigend, mit den unsicheren Bewegungen eines Kleinkindes, einem Panzer, der an einer Straßenkreuzung stand. Der Turm des Panzers drehte in Richtung des sich nähernden Mädchens und das Rohr wurde bedrohlich auf seine Höhe gesenkt. Dann hatte das Mädchen den Panzer erreicht und versuchte nun etwas in die Mündung des Kanonenrohres zu stecken, das es in der rechten Hand hielt. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und hatte die Mündung fast erreicht, da hämmerte von einem weiteren Panzer, weiter weg, das Turm-MG los. Ein kurzer Feuerstoß nur, aber er erfasste das kleine Mädchen und warf es tödlich getroffen in den Staub. Soldaten erschienen und näherten sich mit vorgehaltenem Gewehr dem kleinen Körper. Doch war es keine Sprengladung in der Hand des Kindes, es war...eine Blume.