Samstag, 24. September 2011

WOLFSNACHT -- Der Werwolf von Duisburg (Geschichte)

Geschichte vom Oktober 2009 ............ Verärgert klappte Michael sein Handy zusammen und steckte es wieder in seine Jackentasche. Dies war soeben der dritte vergebliche Versuch seine Freundin Svenja zu erreichen. Für 20:00 Uhr waren sie verabredet, doch nun war es bereits 20:45 Uhr und von Svenja war weit und breit nichts zu sehen, und wenn er ihre Handynummer wählte, bekam er immer nur ihren Mailboxtext zu hören. Er kannte das von ihr gar nicht, da sie ansonsten immer pünktlich war. Und so machte er sich nun Sorgen. Er mußte wieder an das Erlebnis denken, das sie in ihrem gemeinsamen Urlaub in den Pyrenäen hatten und bei dem Svenja von einem sehr großen Wolf verletzt wurde. Wieder lief das erlebte vor seinem geistigen Auge ab. Sie waren spät Abends mit dem Auto auf dem Rückweg zu ihrem Hotel, als Svenja durch das geöffnete Stahlschiebedach den klaren Sternenhimmel bewunderte und plötzlich den Vorschlag machte irgendwo ran zu fahren und dann außerhalb des Wagens diesen wundervollen Anblick zu genießen. Er liebte ihre romantische Veranlagung, hatte selber eine sehr ausgeprägte romantische Ader, was wiederum sie an ihm sehr schätzte. Kurz darauf bot sich auch schon eine Möglichkeit von der Bergstraße abzufahren, als sich auf der linken Seite ein Waldgebiet dunkel ausbreitete, wo eben noch sich Felsgestein erhob. Er lenkte den Wagen auf einen kleinen Platz am Waldrand der stockdunkel dalag. Die Lichtkegel der Scheinwerfer erfaßten die Stämme von Pinien und tauchten diese in ein gespenstisch helles Licht, das sich aber unmittelbar hinter den vorderen Baumreihen in der Tiefe des Waldes verlor. Er machte den Motor aus und nun erschien alles noch dunkler, als vor dem Auftreffen der Lichtkegel. „Was für eine herrliche Nacht! Und diese herrliche Stille“, hörte er noch einmal Svenjas Worte, als sei es erst einen Moment her. Dabei lag es nun schon 4 Wochen zurück. Wie schön war doch dieser Moment, als sie eng umschlungen mitten in der Finsternis standen und gemeinsam zum Nachthimmel aufschauten, der auf ihn wie eine gigantische dunkelblaue Glaskuppel mit dezenter Hintergrundbeleuchtung wirkte, an der unzählige Weißlichtdioden angebracht waren. Für Svenja aber, war dieser Nachthimmel ein riesiges Tuch aus schwarz-blauem Samt, auf dem tausende und abertausende von Brillanten ausgebreitet waren und funkelten. Doch plötzlich ging alles sehr schnell, und sie wurden brutal aus dieser schönen Stimmung gerissen. Am Waldrand, in etwa 80 Meter Entfernung, raschelte und knackte es auf einmal laut; begleitet von einem bedrohlichen Knurren. Sofort spürten beide eine lebensbedrohliche Gefahr. Und schon brach etwas großes kräftig mit lautem Knacken von Zweigen aus dem Unterholz hervor und bewegte sich schnell auf die beiden zu. Sie konnten nicht erkennen was es war, aber sie spürten das herannahen einer großen Gefahr. „Schnell, zum Wagen“, hörte er sich selber wieder rufen. Er mußte Svenja etwas an der Hand ziehen, da sie vor Schreck und Angst zunächst wie erstarrt war, was sie wertvolle Sekunden kostete. Der Wagen war etwa 10 Meter entfernt, die ihm wie 100 Meter vorgekommen waren. Hastig rissen sie die Türen auf und sprangen ins Wageninnere. Doch schon war das Wesen, das es offensichtlich auf sie abgesehen hatte, heran; auf Svenjas Seite, da es sie wohl für die leichtere Beute hielt. Als er seine Tür zuschlug, zog Svenja gerade ihr zweites Bein ins Wageninnere. Da prallte etwas hart gegen die Beifahrertür und packte Svenja am Fuß. Gleichzeitig wurde durch den Aufprall die Türe hart zugeschlagen, wodurch Svenjas Bein eingeklemmt wurde. Sie schrie laut auf, aus Schmerz und Todesangst. Dieser Schrei von ihr fuhr ihm damals durch Mark und Bein. Er würde diesen Schrei niemals vergessen können. Das Wesen hatte sie wohl nicht richtig zu packen bekommen, denn mit Michaels Hilfe gelang es, Svenjas Bein zu befreien und ins Wageninnere zu ziehen. Das harte Tapsen und Schaben krallenbewährter Pranken an der Karosserie mischte sich mit dem lauten Knurren und Brüllen eines Raubtieres. Brüllen, nein, es war kein Brüllen, es war eher eine Art Bellen. Als sie die Beifahrertüre zugezogen hatten, hatten sie nicht das Gefühl gehabt nun sicher zu sein. Sofort, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, warf Michael den Motor an, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr mit Vollgas in Richtung der Straße. Als er, mehr instinktiv als bewußt, die Scheinwerfer einschaltete, rissen die Lichtkegel ein Geschöpf aus der Dunkelheit, dessen Anblick Michael das Blut in den Adern stocken und Svenja abermals einen Schrei ausstoßen ließ. Es war ein Wolf, der sich da gerade aufrappelte und mit bedrohlich leuchtenden Augen in ihre Richtung blickte. Aber dieser Wolf war enorm groß, ein Riese seiner Art. Doch dies war nicht das einzige, das auffällig an ihm war. Seine Mimik und seine Bewegungen wirkten dermaßen aggressiv, daß man ihn für einen Dämon halten konnte. Der muß die Tollwut haben, dachte Michael damals. Doch darüber nachzudenken, dafür blieb ihm damals keine Zeit, denn dieses Biest hechtete ihnen nach, sobald es sich aufgerappelt hatte. Michael traute diesem Brocken zu, daß er die Wagenscheiben einschlagen könnte. Für Michael gab es nur noch eins, so schnell wie möglich auf die Straße zu kommen und dann Gas zu geben was der Motor hergab. In einem solchen Tempo war er noch nie zuvor im Rückwärtsgang gefahren, als er scharf links in die Straße einbog, hart bremste und hastig den Vorwärtsgang einlegte. Noch bevor er aufs Gaspedal treten konnte war das Biest heran und warf sich mit voller Wucht gegen die Fahrertüre, daß deren Scheibe barst. Wieder ließ das Biest nicht die geringste Benommenheit erkennen, sondern rappelte sich blitzschnell wieder auf, mit einem Gemisch aus Knurren und Bellen, das einem das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte. Für eine Sekunde war Michael benommen, doch dann handelte er wieder instinktiv und fuhr mit aufheulendem Motor und quitschenden Reifen los. Das Wolfsbiest hechtete hinterher und kam bedrohlich nahe an die Fahrertür heran. Geifernd und bellend, mit gefletschten Zähnen, blickte es Michael an, der dem Motor nun alles abverlangte und das Gaspedal bis zum Anschlag durchtrat, während Svenja angsterfüllt schrie: „Er kommt! Mein Gott er schafft es, er holt auf, das kann doch nicht war sein. Gib Gas! Um Himmels Willen gib Gas.“ Wenn er es schafft, seine Schnauze durch das geborstene Fenster zu stecken, dann sind wir verloren, dachte er damals. Doch schließlich war das Tempo für das Wolfsbiest zu groß, sodaß es knurrend und bellend zurückblieb, bis es schließlich im Dunkel verschwand. Den Blick vom Rückspiegel auf den Tacho richtend sah Michael, daß die Nadel auf 190 zeigte. „Dieses Vieh war doch nicht normal“, sagte er zu Svenja, die ihn mit kreidebleichem Gesicht und zitternder Stimme fragte: „Was war das, war das ein Wolf?“ Gerade als er etwas antworten wollte, griff sich Svenja ans Bein, verzog ihr Gesicht und stöhnte gequält auf. Durch den Schock hatte sie zunächst die Schmerzen nicht mehr wahrgenommen, doch nun meldeten sich diese umso heftiger zurück. Svenja wußte gar nicht wo sie ihr Bein zuerst halten sollte, da es vom Knie bis hinunter zum Fuß schmerzte. Immer wieder richtete Michael seinen Blick kurz zu Svenja, beobachtete wie sie ihr Bein befühlte, dann den Fuß. Plötzlich zuckte er zusammen, als sie aufschrie: „Oh mein Gott, das darf nicht war sein“. Er sah, wie sie ihre Hand langsam vors Gesicht hob und das die Hand stark blutverschmiert war. .... Im Krankenhaus mußte ihr Fuß an drei Stellen genäht werden, doch wurde keine Infektion festgestellt. Als er dem Krankenhauspersonal und den Polizisten von dem Wolf erzählte, verhielten sie sich irgendwie eigenartig, wie er meinte. Er hatte den Eindruck gehabt, als wollte man einen Imageschaden für ein Touristengebiet vermeiden, indem man seine und Svenjas Erzählung von dem Wolf abwiegelte und behauptete, daß es sicher ein streunender Hund war, von denen es dort viele gibt. Die Polizisten hatten gemeint, daß die beiden, in ihrer Angst, das Tier größer und bedrohlicher gesehen hätten, als es in Wirklichkeit war. Allerdings konnten beide spüren, daß die Leute dort ein schlechtes Gefühl hatten wegen dem Vorfall. .... Nach ihrer Rückkehr fing Svenja an sich zu verändern. Sie wurde hellhörig und roch Dinge, die er selber erst später wahrnahm, viel später. Auch war sie oft gereizt und brauste gegenüber anderen auf, ein Verhalten, das er vorher nie bei ihr beobachten konnte. Und nun saß er hier am Duisburger Innenhafen und wartete auf eine sich sehr verspätende Svenja. Auch eine neue Erfahrung im Zusammenhang mit ihr. Was war bloß mit ihr los, dachte er bei sich. Er fragte sich, ob all das etwas mit dem Wolfserlebnis zu tun haben könnte: Immerhin war es ja ein traumatisches Erlebnis. Besonders für sie, wo sie doch so eine schlimme Verletzung davongetragen hatte. „Bekommen sie noch etwas“, fragte ihn eine weibliche Stimme in freundlichem Ton. Es war die Tischbedienung, die ihn soeben aus seinen Gedanken riß. Michael verneinte und bat zahlen zu dürfen. Er mußte los. Er mußte zu Svenjas Wohnung fahren und nachschauen, ob mit ihr alles in Ordnung war. Es war mittlerweile 21:05 und der Mond stand hell am Himmel. Michael nahm zur Kenntnis, daß es Vollmond war und eigentlich müßte er jetzt mit Svenja zusammen dessen Anblick genießen. Doch für romantische Gedanken hatte er jetzt keine Zeit. Er packte seinen Wagenschlüssel und verließ das Restaurant. Als er mit dem Wagen in die Grabenstraße einbog, wo Svenja wohnte, hatte er plötzlich ein sehr unbehagliches Gefühl. Er wurde immer unruhiger. Als er schließlich vor Svenjas Wohnungstüre stand und aufschließen wollte, stellte er fest, daß sie offen war, was seine Unruhe noch steigerte. Bedächtig und mit pochendem Herzen trat er ein. „Svenja?“ rief er leise und war sich gar nicht im klaren darüber, was er eigentlich erwartete, eine Antwort, überhaupt irgendeine Reaktion? Nichts, keine Antwort, dafür aber ein Anblick, der ihn nun fast um den Verstand brachte. Die Wohnung sah aus, als hätte ein Kampf auf Leben und Tod stattgefunden. Glas knirschte unter seinen Schuhen, als er mit langsamen Schritten ins Wohnzimmer kam. Was zum Henker war hier passiert, fragte er sich in äußerster Besorgnis. Im spärlichen Schein der Standlampe, deren Schirm total zerbeult war, erblickte er plötzlich etwas zwischen den Scherben der zerbrochenen Couchtischscheibe, etwas, das an einem anderen Platz als Svenjas Körper nicht vorstellbar war, da sie es niemals ablegte, ihr silbernes Kruzifix. Die Kette war zerrissen und lag eine Handbreit daneben. Gerade als er sich danach bückte, ertönte eine weibliche Stimme aus Richtung der Wohnungstüre, und der Lichtkegel einer Handlampe tastete sich über am Boden liegende Gegenstände an ihn heran, um dann an seinem Gesicht haften zu bleiben. „Wer sind sie? Was machen sie da ?“ Michael zuckte zusammen, da die Stimme nicht nur unerwartet ertönte, sondern auch sehr streng klang. Tausend Gedanken jagten wild durch seinen Kopf. Er kam sich so hilflos vor in diesem Augenblick und so verzweifelt. Die Frau mit der Handlampe kam auf ihn zu. Hinter ihr nahm Michael noch eine weitere Person wahr, die ebenfalls ins Wohnungsinnere schritt. „Ich...ich wollte zu meiner Freundin, Svenja, sie wohnt hier. Wer...wer sind sie?” fragte er mit unsicherer Stimme, kniff dabei die Augen zusammen und versuchte zusätzlich sie dadurch vor dem blendenden Lichtkegel zu schützen, indem er seine rechte Hand vors Gesicht hielt. „Polizei!” antwortete die Frau, die nun vor ihm stand und die Lampe von ihm abwandte, so daß er nun die Uniformen sehen konnte. „Wir wurden von anderen Mietern dieses Hauses gerufen, die sich über Randale und Schreie beschwerten, die aus dieser Wohnung kamen. Und wies hier aussieht war dies nicht unbegründet. „Während die Polizistin mit Michael sprach, nahm ihr Kollege die Räume der Wohnung in Augenschein. „Wir waren verabredet und ... sie kam nicht. Da machte ich mir große Sorgen, da sie mich noch nie versetzt hat und weil ich sie auch nicht über Handy erreichen konnte.” Michael spürte plötzlich, daß er nun höllische Angst um Svenja hatte, während er dies sagte. „Haben sie eine Ahnung was hier passiert sein könnte?” fragte ihn die Polizistin. „Nein”, antwortete er, „ich habe nicht die geringste Ahnung, aber ich habe wahnsinnige Angst um sie. Ich meine, ich bekam vorhin fast einen Schock, als ich das hier sah.” „Es ist niemand sonst in der Wohnung”, meinte der Polizist zu seiner Kollegin, als er zu den beiden hinzutrat. „Aber ich fand etwas im Schlafzimmer.“ Der Polizist gab seiner Kollegin mit einer Kopfbewegung zu verstehen, daß er ihr etwas zeigen wolle. „Kommen sie mit”, meinte sie zu Michael, der ebenso willig wie besorgt folgte. Im Schlafzimmer sah es fast noch schlimmer aus, aber das schlimmste waren die Anziehsachen, die total zerfetzt auf dem Boden lagen, auf den Scherben des Schlafzimmerschrankspiegels. „OK, ich brauche Namen und Daten zur Person ihrer Freundin”, sagte die Polizistin und griff zu ihrem Funkgerät, um die Zentrale zu benachrichtigen. Michael merkte, wie ihm die Knie weich wurden, doch er durfte jetzt nicht schwach werden. Svenja...was war bloß mit ihr passiert, dachte er, während er mit feuchten Augen auf ihr Kruzifix schaute..... *.... Die Gruppe Jugendlicher verließ das XXL, in dem eine große Halloweenparty stattfand. Thorsten, Carlos und Mark hatten zwar alle schon mehr oder weniger etwas zu tief ins Glas geschaut, aber trotzdem wollten sie jetzt ihren Plan in die Tat umsetzen, denn darauf hatten sie sich schon seit Tagen gefreut. Sie wollten ihren Freundinnen einmal ein richtiges Halloween-Gruselerlebnis bescheren. Carlos erzählte von einem angeblich vergessenen Friedhof, der in der Nähe der Haltestelle Kesselsberg liegen solle und der dermaßen verwittert und zugewuchert sein soll, daß er gar nicht mehr wahrgenommen würde. Da sie alle schon getrunken hatten, machten sie sich also zu Fuß auf den Weg. Claudia, Nicole und Jessica waren zwar sehr neugierig, aber als sie aus dem XXL heraustraten, da waren sie nicht mehr ganz so begeistert, denn es war sehr kalt an diesem 31.Oktober und die dunklen Wolken, die sich vor den Vollmond schoben, verliehen diesem eine unheimliche Wirkung. „Das wäre ein idealer Nachthimmel für einen Werwolf- oder Vampirfilm”, meinte Thorsten und schnitt eine Grimasse die unheimlich wirken sollte. „Ich hoffe es lohnt sich wenigstens und wir bekommen auch was interessantes zu sehen”, sagte Jessica und das verziehen ihres Mundes verriet, daß sie davon alles andere als überzeugt war. Jessica war, im Gegensatz zu Claudia und Nicole, nicht begeistert gewesen von der Idee: zu nächtlicher Stunde durch die Kälte zu latschen, nur um sich ein bißchen zu gruseln. Sie hatte sich dann aber der Mehrheit gebeugt. So setzten sie sich also in Bewegung und gingen die Anger entlang Richtung Heidberg. Die Dunkelheit wurde nur spärlich vom Licht der Straßenlaternen unterbrochen, das eher schwach durchs Dickicht schien, welches die Straße vom Fußgängerweg am Angerbach trennt. Bei der Dunkelheit wird man einen Hundehaufen nicht rechtzeitig sehen können und ihn erst bemerken, wenn man reingetreten ist, dachte Jessica bei sich. Thorsten hatte den Arm um Nicoles Hüfte gelegt und sie ihren um seine. Carlos hielt Claudia von hinten umklammert und tat so, als würde er sie vor sich herschieben. Mark und Jessica gingen nebeneinander her. Während Thorsten und Nicole, genauso wie Carlos und Claudia, miteinander gingen, waren Mark und Jessica „Opfer” einer Verkuppelungsaktion ihrer Freunde bzw. Freundinnen geworden. Nicht, daß sie sich etwa unsympathisch gewesen wären, doch waren sie sich heute zum ersten mal begegnet und die Situation war etwas unangenehm für beide. Und Jessicas Gesichtsausdruck förderte in Mark nicht gerade das Aufkommen von Mut, um Jessicas Hand zu ergreifen, was er doch so gerne getan hätte. Er konnte nicht wissen, daß sie gerade darauf wartete. Wovon Thorsten und Carlos zu viel besaßen, davon besaß Mark eine Portion zu wenig: Selbstvertrauen. Sie waren erst fünf Minuten unterwegs, da ertönte ein lautes Knurren aus dem Dickicht zwischen ihnen und der Straße. Jessica und Mark nahmen es als erste wahr, blieben abrupt stehen und schauten nach rechts in das Dunkel zwischen dem Dickicht. Als das Knurren noch lauter und bedrohlicher wurde und es im Geäst zu knacken begann, nahmen es schließlich auch die anderen wahr. Gerade noch herumalbernd, schauten sie nun wie gebannt ebenfalls ins Dunkel des Dickichts, in dem jetzt deutlich die Konturen einer Gestalt zu erkennen waren, die sich neben ihnen durch das Geäst arbeitete. Dampf stieß aus dem Dickicht in ihre Richtung, wie vom warmen Atem eines großen Tieres. Just in diesem Augenblick kam ein Auto auf der Straße angefahren. Für einen kurzen Augenblick entrissen die Lichtkegel der Autoscheinwerfer die Gestalt der Dunkelheit. Was die Sechs dann erblickten, ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren und der Adrenalinstoß hob augenblicklich jede Alkoholeinwirkung auf. Eine riesige wolfsähnliche Kreatur warf den Blick in Richtung des nun herangenahten Autos, dessen Scheinwerfer die Augen der Kreatur gefährlich aufleuchten ließen, um dann sofort wieder den Kopf herumzureißen, in Richtung der Sechs. Das Auto fuhr vorbei und schlagartig hüllte wieder Dunkelheit das Wesen ein. Und noch bevor die Sechs überhaupt reagieren konnten, brach die Kreatur mit lautem Knurren, das in ein Brüllen überging, aus dem Dickicht hervor auf den Weg und fiel sie sofort an. Die Luft war erfüllt von menschlichen Schreien und tierischem Brüllen. Nicole hatte keine Chance. Die Kreatur, die in etwa aussah wie ein Wolf mit menschlichen Ausmaßen, packte sie mit der Schnauze zwischen Hals und linker Schulter und schleuderte sie mit heftigen Kopfbewegungen zu Boden. Nicole blieb regungslos und tödlich verwundet liegen und die Kreatur wendete sich sofort ihrem nächsten Opfer zu, Thorsten, der wie gelähmt da stand und die Kreatur anstarrte, wie sie seine Freundin anfiel. Claudia schrie wie von Sinnen, „wir müssen hier weg, schnell, dieses Vieh wird uns sonst alle töten”. Jessica stöhnte nur vor Entsetzen, während Mark im Geäst nach etwas zum schlagen suchte und Carlos zurief, „such irgendwas zum draufschlagen, sonst haben wir keine Chance”. Carlos löste sich aus seiner Erstarrung, ließ Claudia los und fing ebenfalls hektisch an zu suchen, als Mark auch schon etwas gefunden hatte. Mit dem Ast einer Eiche in der Hand trat er nun der wolfsähnlichen Kreatur entgegen, als diese sich gerade von Thorsten abwendete, der, sich in seinem Blute windend, ebenfalls am Boden lag. Auch Carlos hatte nun einen Knüppel in der Hand und trat seitlich an die Kreatur heran, die gerade Mark anfallen wollte, der den Angriff in Kampfhaltung erwartete. Carlos traf die Kreatur mit einem wuchtigen Schlag am Kopf. Der Schlag war dermaßen heftig, daß der Ast brach mit dem er zugeschlagen hatte. Mark wollte gerade zuschlagen, da machte die Kreatur einen wuchtigen Satz und schnappte sich Claudia, die gerade versuchte durch das Dickicht auf die Straße zu laufen, wobei sie hysterisch um Hilfe schrie. Die Kreatur erwischte sie und schleuderte sie zurück, dermaßen, daß sie über den Weg flog, in die Dunkelheit der Böschung am Angerbach. Sofort hechtete die Kreatur nach und schnappte sich dabei Carlos, den sie mitriß ins Dunkel der Böschung, aus dem jetzt nur noch das Knacken von Ästen, Hilfeschreie und das Knurren und Bellen der Kreatur zu vernehmen war. In dieser Sekunde realisierte Mark, daß er und Jessica die Nächsten waren, wenn sie nicht sofort verschwanden. „Wir müssen weg, abhauen, sofort”, sagte er und zog Jessica auch schon heftig hinter sich her. „Wir können die anderen doch nicht einfach im Stich lassen”, meinte Jessica mit bebender Stimme, während sie von Mark durch das Dickicht auf die Straße gezogen wurde. „Du hast es doch gerade erlebt. Was auch immer das da ist, es hat Wahnsinnskräfte. Wir haben keine Chance. Spar jetzt Deinen Atem und renn”, erwiderte Mark und zog sie nun noch stärker hinter sich her. Während sie auf der Straße zurück in Richtung XXL liefen, bemerkten sie, daß die Schreie verstummt waren. „Oh mein Gott! Wir schaffens nicht”, schrie Jessica schon völlig außer Atem. „Es wird jeden Augenblick bei uns sein.” In diesem Augenblick näherte sich ihnen ein Auto von hinten. Die beiden stellten sich so auf die Straße, daß es keine Möglichkeit für den Fahrer gab an ihnen vorbeizufahren und gestikulierten wild mit den Armen, während sie um Hilfe riefen. Als das Fahrzeug sie erreicht hatte, verringerte der Fahrer das Tempo und stoppte schließlich, als er merkte, daß die beiden nicht zur Seite gehen würden. Er öffnete das Fenster und Jessica trat zu ihm, während Mark vor dem Wagen stehen blieb. Der Fahrer blickte in ein völlig verängstigtes Gesicht. Es war ihm sofort klar, daß sie etwas sehr schlimmes erlebt haben mußten. „Bitte, sie müßen uns mitnehmen, zur Polizei, aber laßen sie uns schnell einsteigen und fahren sie so schnell wie möglich los, bitte.” Die Angst und das Entsetzen in den Gesichtern konnte nicht gespielt sein, dies merkte der Fahrer sofort. Und so sagte er, mit einer entsprechenden Kopfbewegung, „dann los, steigt ein”. Sofort waren die beiden im Wagen verschwunden. „Fahren sie los, schnell, schnell, los”, sagte Mark mit verzweifelt bittendem Tonfall. „Was ist denn bloß passiert?” fragte der Fahrer, während er anfuhr. .... *.... Auf dem Duisburger Polizeipräsidium herrschte totale Hektik, nachdem dort nun schon mehrere Meldungen über eine wolfsähnliche Kreatur eingegangen waren, die Menschen anfiel und tötete. Die ersten Opfer waren einige Passanten in einer U-Bahnstation in der Innenstadt, dort gab es drei Tote. Kurz darauf gab es das nächste Opfer, ein Jogger wurde im Stadtpark getötet. Dann eine Gruppe Passanten, die gerade eine Gaststätte in Neudorf verlassen hatte, wo es vier Tote gab. Dann wurde eine Halloweenparty in einer Kleingartenanlage in Wedau von der Kreatur heimgesucht, wo sie sieben Personen tötete. Und nun kamen diese Jugendlichen und erzählten, daß sie ebenfalls von der Kreatur überfallen worden waren, und daß ihre Freunde von ihr getötet worden seien. Kriminalhauptkommissarin Delia Kamm hatte soetwas noch nie erlebt. Und sie hatte wirklich schon einiges mitgemacht, seit sie sich zur Polizei gemeldet hatte. Als leitende Beamtin war sie nun stark gefordert, doch Herausforderungen hatte sie immer schon geliebt. Darum warf sie seinerzeit auch ihre Stelle bei Mannesmann hin und ging zur Polizei, weil sie sich in einer vorgegebenen Schablone nicht wohlfühlte, wie sie es nannte, sondern einen Beruf wollte, in dem sie ihre Talente, ihre Kämpfernatur und ihre Intelligenz frei entfalten konnte. In dieser Nacht waren sämtliche verfügbaren Kräfte im Einsatz. Es herrschte eine Art Ausnahmezustand. Man machte Jagd auf etwas, aber man wußte nicht was man eigentlich genau jagte. Fest stand nur eines, es mußte ein sehr großes und sehr kräftiges Tier sein, vielleicht ein Bär. Man kontaktierte alle Zoos und Freigehege in der näheren Umgebung, ob irgendwo ein Raubtier entflohen sein konnte. Doch nirgendwo fehlte ein Tier. In dieser Nacht herrschte mehr Betriebsamkeit, als am ereignisreichsten Tage. Kreuz und quer jagten Blaulichter und Martinshörner durch die Stadt. „Das ist ja fast wie in New York“, meinte Kriminaloberkommissar Dirk Heinze zu der Streifenbeamtin, die gerade mit ihrem Kollegen und einem jungen Mann herein kam. „Ja, kommt einem fast so vor“, antwortete sie im vorübergehen. Nachdem sie mit ihrem Kollegen Delia Kamm Bericht erstattet hatte und sie und ihren Kollegen Heinze dann mit Michael allein im Raum zurückließ, erzählte dieser ihnen die ganze Geschichte. Doch der sich aufdrängende Rückschluss daraus, erschien Delia Kamm einfach zu fantastisch. Nein, sie mußte jetzt einen kühlen Kopf bewahren und schön nüchtern, sachlich bleiben. Zufall, einfach Zufall, dachte sie sich. Mag sein, daß seine Freundin sich eine Infektion durch ein tollwütiges wildes Tier eingefangen hatte, aber es steht sicher nicht in Zusammenhang mit … Sie biss sich auf die Unterlippe. Der Bericht der Streifenbeamten und die Schilderungen des jungen Mannes wiesen eine Auffälligkeit auf, die man nicht ignorieren durfte. Und im übrigen machte der junge Mann einen vernünftigen und seriösen, glaubwürdigen Eindruck, wenngleich er auch etwas verstört wirkte, aufgrund des Verschwindens seiner Freundin unter sehr mysteriösen Umständen. Nein, sie wollte diese merkwürdige Geschichte nicht einfach aus den Überfällen der Kreatur ausschließen. Sie war verpflichtet jede Möglichkeit in Betracht zu ziehen. „Dirk, setze dich doch bitte mal mit den spanischen Kollegen in jener Gegend in Verbindung, wo die beiden das Erlebnis hatten und frage sie, ob sie dort ähnliche Vorkommnisse haben oder hatten, wie wir hier heute Nacht. Und laß bitte keinen Zweifel daran aufkommen, wie dringend wichtig für uns die Sache ist. Außerdem soll jemand Staatsanwaltschaft und Innenministerium in Kenntnis setzen über den Sachverhalt… Ach nein, das mach ich selber. Interpol und Guardia Civil kannst du aber noch kontaktieren. Na, heute Nacht kannst du aber kräftig an deinem Spanisch feilen.“ Kamm grinste ihren Kollegen an und wendete sich dann wieder Michael zu. „Na endlich macht sich mein Spanischunterricht mal bezahlt“, feixte Heinze und verließ den Raum. „Ich kann sie nach Hause fahren, wenn sie möchten“, wandte sich Kamm wieder Michael zu. „Sie sehen sehr mitgenommen aus“, fügte sie noch hinzu. „Nein...nein, danke, nicht nötig. Ich bin mit meinem eigenen Wagen hier. Bin ihren Kollegen vorhin hinterhergefahren. Kann ich dann gehen?“ fragte er, nachdem er sich erhoben hatte. „Natürlich. Es wäre aber gut, wenn sie sich zur Verfügung hielten, falls Fragen auftauchen, speziell in Bezug auf die Spanien-Geschichte.“ Michael hielt Kamm sein Handy entgegen und wirkte dabei kraftlos, als könne er es kaum halten. „Unter meiner Handy-Nummer bin ich immer erreichbar, Tag und Nacht.“ Als er gegangen war, schaute Kamm ihm noch einen Augenblick nachdenklich hinterher. Das alles, die Ereignisse, sowie die Geschichte dieses jungen Mannes, das war schon etwas verrückt. Kaum zu glauben...und doch real..... *.... Marvin und Stefan waren eifrige Graffiti-Sprayer und für heute, für Halloween, hatten sie sich was besonderes einfallen lassen, sie sprühten mit Halloweenmasken und nur Halloweenmotive. Gerade waren sie dabei, die frisch renovierte S-Bahnhaltestelle Kesselsberg mit ihrer „Kunst“ zu „verzieren“. So viele neue, saubere, freie Flächen, da ging ihnen das Herz über. Der besondere Kick dabei war, daß sie damit rechnen mußten, daß die DVG mit Sprayern an der renovierten Haltestelle rechnete und darum diese besonders überwachte. Was andere vielleicht abgeschreckt hätte, das war für die beiden aber erst der Reiz an der Sache. Marvin nahm sich die eine Seite vor, während Stefan auf der anderen Seite zu Gange war. Es war saukalt, aber die beiden hatten sich warm angezogen. Nur die Hände waren blank, weil sie mit Handschuhen nicht gut sprayen konnten. So machte Marvin immer wieder mal eine kurze Pause, in der er die Spraydose abstellte und die Hände in die Hosentaschen steckte, um sie so aufzuwärmen. Gerade als er wieder mal die Hände so aufwärmte und er sich kurz umdrehte, um zu schauen, wie weit Stefan schon gekommen sei, da vernahm er ein Geräusch, das ihm einen Schauer über den Rücken jagte. Es kam von drüben, von Stefans Seite. Es war ein extrem tiefes, bedrohliches Knurren, eines, wie er es noch nie zuvor gehört hatte. Auch Stefan schien es gehört zu haben, denn auch er stoppte jäh in seiner Sprüherei, schob seine Maske hoch und schaute mit fragendem Blick zu ihm herüber. Marvin zuckte mit den Schultern, da ertönte das Knurren wieder, diesmal lauter und noch bedrohlicher. Das ist kein Scherz von irgendeinem Witzbold, denn dazu klang es zu echt, dachte Marvin. Dann nahm er drüben etwas wahr, rechts von Stefan, da wo der Aufgang war. Er deute mit dem Kopf in jene Richtung, um Stefan darauf aufmerksam zu machen. Doch der schien es ebenfalls schon bemerkt zu haben. Es war Dampf, wie er entsteht, wenn ein Mensch, oder eher noch ein sehr großes Tier, angestrengt in kalte Luft haucht. Ein herrenloser Kampfhund, schoß es Marvin durch den Kopf. Gerade als er seinen Blick wieder auf Stefan richtete, ließ dieser plötzlich seine Sprühdose fallen und blickte, starr vor Angst, in die Richtung, aus der das Knurren kam. Marvin konnte aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnehmen und schaute sofort nach rechts und ...auch er erstarrte vor Schreck. Ein Tier, groß wie ein Mensch, ging gerade in Lauerstellung und fixierte Stefan, der wie angewurzelt dastand, nicht fähig irgendeiner Bewegung. Marvin zog seine Hände aus den Hosentaschen und wußte gleich, daß dies ein Fehler war, denn sofort schnellte der Kopf des Tieres in seine Richtung und Marvin schaute auf zwei gefährlich rot funkelnde Augen, die ihn für einen Moment fixierten. Ein Kampfhund war das nicht, das war Marvin klar. Eine solche Kreatur hatte er noch nie zuvor gesehen. Sie sah aus, wie eine Kreuzung zwischen einem großen Hund, oder eher einem Wolf, einer Hyäne und einem Geparden, wobei das Wolfsmäßige dominierte. Doch Größe und aggressive Ausstrahlung paßten zu keinem jener Tiere. Die Ausstrahlung dieser Kreatur erinnerte Marvin an den Film Alien. Das tiefe Knurren wurde lauter und der Atem der Kreatur erzeugte ganze Dampfwolken. Plötzlich rannte Stefan los, auf das Dunkel der Haltestellenausfahrt zu. Sofort riß das Tier den Kopf herum und hechtete mit kraftvollen Bewegungen hinter ihm her. Oh Gott, schoß es Marvin durch den Kopf, das schafft Stefan niemals. Marvin war klar, daß diese Kreatur viel schneller war als sie. An der Haltestellenausfahrt sprang Stefan seitlich ins Dunkle hinab. Die Kreatur setzte mit extrem lautem Knurren und einer Art grausamem Bellen nach. Marvin schoßen tausend Gedanken durch den Kopf. Er mußte weg, flüchten, sich in Sicherheit bringen, jetzt. Wenn er jetzt nicht flüchtete, dann könnte ihn das das Leben kosten. Stefan helfen, das konnte er sowieso nicht, aber vielleicht hatte er es ja auch geschafft. Ein Fauchen, Knurren und dieses grausam klingende Bellen rißen ihn aus seinen Überlegungen, gefolgt von dem markerschütternden Schreien eines Menschen, Stefans Schreien. Das Bellen des Tieres wurde extremer, während Stefans Schreie schwächer wurden und dann ganz erstarben. Marvins Herz krampfte sich zusammen, und schlagartig machte ihm die plötzlich eintretende Stille klar, daß er sofort weg mußte, er mußte schnellstens flüchten. Der Blick der Kreatur, kurz zuvor, ließ keinen Zweifel beim ihm daran aufkommen, daß sie ihn nicht vergessen würde. Die Lähmung, die durch Todesangst sich seiner Beine bemächtigt hatte, gab diese erst nur langsam frei, doch dann immer mehr. Das Herz klopfte Marvin bis an die Schädeldecke, es hämmerte wild in seiner Brust. Wie hatten er und Stefan kurz zuvor noch über die vielen Streifenwagen geschimpft, die wie wild mit Sirenen und Blaulicht durch die Gegend fuhren. Sie hatten sie verwünscht, weil sie ihre „Unternehmung“ gefährdet sahen. Doch jetzt wünschte er sich so sehnlich, daß sie hierher kämen. Noch nie hatte er sich so nach einem Polizeifahrzeug gesehnt, wie in diesem Augenblick. Eine letzte Treppe und er war unten. Doch gerade als er unten ankam und auf den Ausgang zurannte, er wollte sich ins Hotel Landhaus Milser flüchten, da erschien die Kreatur im Ausgang. Mit blutverschmiertem Maul bewegte sie sich auf ihn zu und knurrte laut dabei. Marvin verlor jede Hoffnung und seine Knie wurden weich. Seine Beine drohten ihm wegzusacken. Seine Todesschreie, die kurz darauf aus der Haltestelle nach draußen drangen, hörte niemand..... *.... Michael saß seit einer Stunde in seinem Wagen vor dem Polizeipräsidium und grübelte vor sich hin. Er konnte das alles nicht verarbeiten. Immer wieder fuhr er sich mit den Händen durchs Haar und seufzte schwer dabei auf. Die Sorge um Svenja machte ihn fast verrückt. Konnte das alles in Zusammenhang stehen, das Erlebnis in Spanien, Svenjas übersteigerte Sinne, ihre verlassene und demolierte Wohnung, sowie die schrecklichen, außergewöhnlichen Ereignisse dieser Nacht? Die Logik legte dies nahe, doch der Verstand wehrte sich dagegen, das zu glauben. Denn im Endeffekt würde dies ja bedeuten, daß es hier um so etwas wie Werwölfe ging und sowas gab es nur im Film, nicht in der Realität. Dennoch war das alles schon sehr mysteriös. Plötzlich schoß ihm der Gedanke durch den Kopf, wenn es nun doch so war, wenn Svenja doch irgendwie zu jener Kreatur wurde und nun... Die Polizei würde sie erschießen, weil sie, sie einfach für eine Art tollwütiges Tier hielten. Natürlich war das alles Quatsch und hatte sicherlich ganz andere Hintergründe, aber dennoch trieb ihn irgendetwas dazu, diesen Quatsch für möglich zu halten. Es war seine innere Stimme und die hatte ihn bisher noch nie getäuscht. Schließlich zog er kurz entschlossen den Zündschlüssel ab, stieg aus dem Wagen und schloß die Tür. Tief atmete er die kalte Nachtluft ein und ging dann wieder auf den Eingang des Polizeipräsidiums zu. .... *.... Delia Kamm hatte gerade ein Gespräch mit dem Innenminister in Düsseldorf beendet und den Hörer aufgelegt, als ihr Kollege Heinze in den Raum gestürzt kam. „Du wirst es nicht glauben, Delia“, stieß er leicht erregt aus. Kamm schaute ihn verdutzt und fragend an. „Die Kollegen von der Guardia Civil haben, als sie die Sachlage erfuhren, mit ihrem Innenministerium Rücksprache gehalten. Und jetzt gerade kam dieses Fax aus Madrid an.“ Heinze knallte zwei DIN A4-Seiten auf Kamm‘s Schreibtisch. Kamm nahm die Blätter zur Hand. -TOP SECRET- stand in dicken Lettern ganz oben. Aus dem in Englisch verfassten Text ging hervor, daß es im Norden Spaniens, in den siebziger Jahren, mehrfach zu solchen Fällen kam, wie sie ihn jetzt hier in Duisburg hatten. Personen, die zuvor von einem wolfsähnlichen, wilden Tier gebissen wurden, mutierten plötzlich in einer Vollmondnacht und wurden selber zu einer solchen Kreatur. Es dauerte allerdings eine längere Zeit bis dies so von den Behörden realisiert wurde. Am Ende dieser Nächte nahmen die betroffenen Personen wieder ihre normale Gestalt an und konnten sich an nichts erinnern. Die Verwandlungen vollzogen sich an jedem Vollmond aufs neue. Das spanische Seuchenamt gab diesem Phänomen den Namen Werwolfsyndrom. Aus Rücksicht auf die Tourismusbranche wurde alles unter größter Geheimhaltung gehandhabt. Als es größeren Polizeieinheiten eines Nachts gelang eine mutierte Person zu stellen, wurde diese zwar angeschossen, konnte aber dennoch entkommen. Es blieben aber Blutspuren von ihr zurück, die kleine Proben ermöglichten. Die Proben wurden nun mit denen verglichen, die man bereits einigen Opfern entnommen hatte. Dann stand fest, daß es sich um einen Virus handelte, der die Mutation bewirkte. Während in den folgenden Jahren, die Polizei ihre Präsenz in Vollmondnächten verdoppelte, arbeitete man fieberhaft an einem Gegenmittel. Auch wenn es erst 1998 gelang ein solches Gegenmittel zu entwickeln, so kam es zwischenzeitlich dennoch zu keiner Epidemie. Ab dem Jahr 2005 gab es dann keinen Vorfall mehr, sodaß, das Virus als ausgemerzt galt. Der Impfstoff jedoch wurde eingelagert für den Eventualfall. Erst durch die Anfrage der Duisburger Polizei erhielten das spanische Seuchenamt und die Guardia Civil Kenntnis von dem neuerlichen Fall, der von dem örtlichen Polizeichef nicht weitergeleitet worden war, und der nun das Problem nicht nur wieder in Erscheinung treten ließ, sondern auch noch in ein weiteres Land trug. Sofort wurde mit dem Bundesseuchenamt Kontakt aufgenommen. Impfstoff wurde in eine Sondermaschine der spanischen Luftwaffe gepackt, die sich nun im Anflug auf den Flughafen Düsseldorf befand. Ein Beamter der Guardia Civil und einer des spanischen Seuchenamtes waren mit an Bord der Maschine. „Ich fass es nicht“, entfuhr es Kamm. „Ich tu mich auch schwer damit“, erwiderte Heinze. „Eigentlich wollte ich heute mit meiner Frau und den Kindern einen gemütlichen Halloween-Videoabend machen. Und, du wirst lachen, ich habe in der Videothek auch zwei Werwolffilme ausgeliehen. Wenn das keine Realsatire ist.“ „Jetzt fang bloß nicht an von Werwölfen zu reden“, erwiderte Kamm und blies sich eine Strähne ihres blonden Haares aus der Stirn. „Und überhaupt, Halloween, vor zehn Jahren kannte das noch kaum einer und jetzt tun alle so, als ob das eine uralte Tradition bei uns sei. Dabei wissen die meisten in Deutschland ja nicht mal woher es eigentlich kommt und um was genau es da eigentlich geht. Kennst Du zum Beispiel die Hintergründe von Halloween?“ Gerade als Heinze zu einer Erwiderung ansetzen wollte wurde die Tür geöffnet und Michael trat ein. Kamm und Heinze starrten ihn verwundert an. „Haben sie etwas vergessen?“ fragte ihn Kamm. „Ich habe nachgedacht“, begann Michael seine Antwort. „Ich möchte unbedingt heute Nacht hier bleiben. Ich würde zu Hause verrückt werden. Sie können sich nicht vorstellen wie sehr ich Svenja liebe; sie ist mein Leben, mein ein und alles.“ Heinze ging auf ihn zu. „Wie stellen sie sich das vor? Das geht nicht. Ich kann sie ja verstehen, aber ...“ Kamm, die hinzugetreten war, unterbrach Heinze mit einer Handbewegung. „Was versprechen sie sich davon, wenn sie hier bleiben könnten heute Nacht?“ wandte sie sich an Michael. „Es würde mir etwas Halt geben und außerdem habe ich das Gefühl, daß ich irgendwie noch helfen könnte.“ Kamm wechselte einen kurzen Blick mit Heinze. „OK, sie dürfen bleiben und uns nach Düsseldorf begleiten.“ Heinze riß die Augenbrauen hoch. „Was soll das denn jetzt? Das ist doch nicht dein Ernst“, protestierte er. „Bevor du mir dieses Fax auf den Tisch geknallt hast, wäre meine Entscheidung sicherlich anders ausgefallen; doch jetzt ist eben alles anders. Ich möchte darüber jetzt auch nicht diskutieren.“ Damit war für Kamm das Thema beendet. Eine Stunde später standen sie mit zwei Beamten des Bundesseuchenamtes und mehreren uniformierten Polizeibeamten auf dem Düsseldorfer Flughafen und blickten den beiden Personen entgegen, die soeben der spanischen Sondermaschine entstiegen waren. „Guten Tag!“, sagte einer der beiden mit starkem spanischem Akzent. Und auch der andere grüßte auf Deutsch, ebenfalls mit Akzent. Nach Erwiderung der Begrüßung und einem „Willkommen in Deutschland!“, ergriff wieder einer der Spanier das Wort. „Ich bin Capitan Juan Lopez von der Guardia Civil. Und das hier ist Senor Eduardo Diaz vom spanischen Seuchenamt“, fügte er lächelnd hinzu.“ Er deutete auf seinen Begleiter, der ebenfalls freundlich lächelnd die ausgestreckten Hände schüttelte. Nachdem Kamm sich und die anderen vorgestellt hatte, verließen sie den Flughafen und fuhren zum Duisburger Polizeipräsidium zurück, wo inzwischen der Oberbürgermeister und der Polizeipräsident eine nächtliche Dringlichkeitskonferenz abhielten. Kamm erstattete dem Polizeipräsidenten und dem Oberbürgermeister einen kurzen Bericht und stellte die spanischen Gäste vor, die ihrerseits einen kurzen Vortrag hielten, über die Geschehnisse in Spanien, der sich inhaltlich mit den Ausführungen in dem Fax deckte, nur etwas detaillierter war. Diaz öffnete einen von vier großen, silberfarbenen Aluminium-Koffern und präsentierte einige Impfkartuschen, zu denen er einige Erklärungen abgab. „Die Impfung mit diesem Serum ist hundertprozentig wirkungsvoll; sowohl vor der Umwandlungsphase, als auch danach. Leider ist es uns nie gelungen einer betroffenen Person während des Werwolfsyndroms eine Injektion zu verabreichen. Wurde eine Person in dieser Phase von Polizeikräften gestellt, dann wurde versucht die Kreatur irgendwie festzusetzen, was aber so gut wie nie gelang. Darum mußte meistens zur Eliminierung gegriffen werden, die aber auch nicht immer gelang. Personen während dieses Werwolfsyndroms sind extrem gefährlich. Sie sind absolut aggressiv und entwickeln unvorstellbare Kräfte. Zudem können sie sich dermaßen schnell bewegen, daß selbst geübte Scharfschützen unserer Polizei immer wieder ihr Ziel verfehlten. Es ist nämlich absolut notwendig die Kreatur ins Herz zu treffen, da nur und ausschließlich ein Herzschuss sie töten kann. So hart es klingen mag, aber zur Eliminierung gibt es so gut wie keine Alternative, wenn so eine Kreatur gestellt wird. Entwischt sie, wird sie weitere Menschen töten, oder verletzen und damit infizieren. Verletzte gibt es aber nur sehr selten, da sie immer töten und nur widrige Umstände sie davon abhalten können. Nur wenn glückliche Umstände es erlauben, eine solche Kreatur irgendwie festzusetzen, bis zum Tagesanbruch, dann kann man ihr, nach der Rückumwandlung zur Person, eine Injektion verabreichen und sie somit heilen. Aber wie ich schon sagte, meist bleibt nur die Alternative der Eliminierung, so hart dies auch klingen mag.“ „Wenn es gelänge einer solchen Kreatur eine Injektion zu verabreichen, würde sie sich dann sofort Rückumwandeln?“, fragte Kamm. „Es ist uns zwar nie gelungen, aber unsere Wissenschaftler versicherten uns, daß dies eintreten würde. Zwar würde es nicht in einer Sekunde geschehen, aber doch unmittelbar.“ Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ein uniformierter Polizeibeamter stürmte nach vorne. „Wir haben die Kreatur gestellt! Einer unserer Hubschrauber hat sie im Scheinwerferkegel und hat die Streifenwagen auf ihre Fährte gesetzt. Sie haben sie eingekreist, und von allen Richtungen bewegen sich unsere Einsatzfahrzeuge auf sie zu. Sie bewegt sich auf das Gelände von Logport zwo zu.“ Kamm warf Michael einen mitleidigen Blick zu. „Ich glaube es ist besser, wenn sie hier bleiben. Sie haben gehört, was der Herr aus Spanien uns soeben erklärt hat. Ich verspreche ihnen: ich werde mein möglichstes tun um eine Tötung zu vermeiden. Im übrigen wissen wir noch gar nicht, ob es sich auch tatsächlich um ihre Freundin Svenja handelt. Das ist mir irgendwie immer noch alles zu fantastisch.“ Michael sah sie aus rot unterlaufenen Augen an. „Neiiin! Ich muß mit. Bitte tun sie mir das nicht an. Bitte nicht!“ flehte Michael. „OK, aber sie halten sich zurück und tun nur was ich ihnen sage; was ich ihnen ausdrücklich erlaube“, sagte Kamm und legte Michael eine Hand auf die Schulter. Kurz darauf saßen sie im Auto: Kamm, Heinze, Michael und Lopez. Diaz war mit seinen Deutschen Kollegen vom Bundesseuchenamt im Präsidium geblieben. Michael saß hinten neben Lopez, der darüber aufgeklärt wurde wer Michael war und warum er Erlaubnis hatte mitzufahren. Als sie in Wanheim ankamen zuckte und flimmerte es nur so von dem Blaulicht der vielen Streifenwagen. Über Funk kam die Durchsage, daß die wolfsähnliche Kreatur soeben der Einkreisung auf dem Gelände von Logport II entkommen konnte und sich in einen Zulauftunnel am Angerbach geflüchtet hatte. Als sie dort ankamen, war die gesamte Umgebung eingetaucht in das flimmernde Blaulichtmeer. Polizei der Einsatzhundertschaft verteilte sich mit Gewehren und Lampen an beiden Ufern der Anger und zielte auf die von Scheinwerfen angestrahlte Tunnelöffnung. Über der Szenerie schwebte der Polizeihubschauber und suchte mit seinem Scheinwerfer das Gelände über dem Zulauftunnel ab. „Sie bleiben hier!“ sagte Kamm in bestimmendem Tonfall zu Michael. „Sie warten hier im Wagen.“ Michael folgte der Anweisung widerspruchslos nicht zuletzt auch darum, weil er von dieser etwas überrumpelt worden war; aber auch, weil der Blick Kamm´s keinen Widerspruch erlaubte. So blieb Michael allein im Wagen zurück, während die anderen sich zu den Einsatzkräften begaben. Er sah, wie sich Kamm vom Einsatzleiter der Hundertschaft Bericht erstatten ließ. Schließlich stiegen Kamm, Heinze und Lopez die Böschung hinab zum Angerbach; begleitet von Beamten der Einsatzhundertschaft. Plötzlich durchzuckte Michael ein Gedanke, wie ein Stromstoß: Svenja! Er mußte Svenja retten. Er traute den schwer bewaffneten Polizeikräften nicht. Die würden schießen, bevor noch die Chance bestand das Impfmittel einzusetzen. Er konnte und wollte nicht hier untätig warten; dazu war seine Liebe zu Svenja einfach zu groß. Er würde seines Lebens nicht mehr froh werden, wenn Svenja sterben würde und er eventuell mitschuld war, weil er nicht vor Ort dabei war. Risiko ? Lebensgefahr? Das war ihm gleichgültig, denn ohne Svenja würde er eh nicht mehr leben wollen, da es für ihn dann wertlos wäre. Vergessen war der strenge Blick Kamm‘s. Er riss entschlossen die Wagentür auf und stieg aus..... *.... Da einer der Streifenbeamten mit Sicherheit wußte, daß die Zulauftunnel nach ca. 100 Metern durch Stahlgitter blockiert sind, entschloss sich Kamm mit Heinze, Lopez und Leuten der Einsatzhundertschaft hineinzugehen. Von der Einsatzhundertschaft hatten sie Überziehhosen aus Gummi mit angeschweißten Gummistiefeln erhalten, wie sie auch Angler oder Kanalarbeiter benutzten. So schoben sie sich durchs hüfthohe Wasser in den von Handstrahlern wild ausgeleuchteten Zulauftunnel. Da sie gegen eine leichte Strömung angehen mußten, ging es nicht sehr schnell voran. In einiger Entfernung machte der Tunnel einen leichten Knick, sodaß das Stahlgitter noch außer Sichtweite lag. Das wilde Durcheinanderstrahlen vieler Handlampen verlieh der Szenerie etwas unheimlich Bizarres. „Haben sie das Betäubungsgewehr geladen?“ fragte Kamm Lopez, der zur Antwort nur nickte. Für ihn war das nichts Neues. Er war mehr als einmal in einer solchen Situation gewesen und wußte genau was zu tun war. Er wußte aber auch, daß es keine Garantie gab für einen Erfolg, und sie vielleicht gleich ein ohrenbetäubendes Geballere aus den vielen Polizeiwaffen erleben würden. Es hatte stets etwas beruhigendes von so stark bewaffneten Einsatzkräften begleitet zu sein. Dieses Gefühl verspürte er hier in Deutschland nun nicht weniger, als damals in Spanien. Sie kamen an eine Art hoher Stufe, die einen Wasserfall verursachte. Oberhalb der Stufe war das Wasser nur noch Kniehoch. Plötzlich vernahmen sie ein tiefes unheimliches Knurren, das sich unheimlich und unnatürlich anhörte. Lopez kannte das schon, und manchmal träumte er noch des Nachts davon. Wie naiv sie doch gewesen waren in Spanien zu glauben, daß dieses Phänomen bewältigt und aus der Welt geschafft sei. Lopez brach seine Überlegungen ab, da sie den Knickpunkt erreicht hatten. Schwer ging der Atem aller Beteiligten und die kalte Luft war erfüllt mit dem Dampf ihres Atems. „OK“, flüsterte Kamm, „wir werden jetzt langsam die Biegung paßieren. Dirk, du bleibst neben mir. Lopez, sie bleiben hinter uns und halten sich bereit zum Schuß. Falls ein zweiter Schuß notwendig werden sollte, dieser aber nicht mehr ausgeführt werden kann, dann ducken wir uns nach unten weg, geben den Leuten der Hundertschaft freies Schußfeld und leuchten ihnen zusätzlich mit unseren Lampen. Alles klar?“ „Ja !“ flüsterte Heinze, während alle anderen nur nickten. Ein Krachen und Brüllen schallte aus dem Teil des Tunnels zu ihnen, der hinter der Biegung lag, so, als würde sich ein schweres Lebewesen mit Wut gegen ein Gitter werfen. „Äußerste Vorsicht!“ warnte Kamm, während sie nun die Biegung paßierten. Was sie dann erblickten ließ sie erschauern. Nur für Lopez war es ein altvertrauter Anblick. Eine Kreatur, wie aus einem Genversuchslabor. Wie eine Kreuzung verschiedener Raubtiere, in deren Gestalt aber auch ansatzweise eine menschliche Grundform zu erahnen war. Auf den ersten Blick erschien sie wie ein übergroßer Wolf. Es waren nicht nur die rotglühenden Augen, die der Kreatur ein extrem aggressives Aussehen verliehen, sondern auch ihre schnellen, geschmeidigen Bewegungen, sowie die gefletschten Zähne ihres ausgeprägten Raubtiergebisses. Mit blitzschneller Drehung wandte sich die Kreatur ihren Verfolgern zu, als diese hinter ihr erschienen. Knurrend und Zähne fletschend verharrte sie einen Augenblick und fixierte sie mit halb zugekniffenen Augen. Als sie sich duckte, um scheinbar zum Sprung anzusetzen, rief Kamm: „Schießen sie Lopez, schießen sie!.“ Lopez hatte bereits angelegt und visierte die Kreatur an, die vor einem, den Tunneldurchgang blockierenden, massiven Stahlgitter stand und von sämtlichen Handlampen angestrahlt wurde. Lopez zog den Abzug des Betäubungsgewehres durch. Doch die Impfkartusche verfehlte ihr Ziel, da die Kreatur sich blitzschnell weiter duckte und zur Seite ausfiel. Lopez lud blitzschnell nach. Den Umgang mit dieser Art Gewehr hatte er damals in vielen ähnlichen Situationen in Spanien gelernt. Sofort legte er wieder an auf die nun noch aggressiver werdende Kreatur, die ja eigentlich ein Mensch war. Wieder ein Schuß. Wieder verfehlte Lopez sein Ziel, weil die Kreatur wiederum schnell zur Seite weghuschte. Doch diesmal setzte sie unbestreitbar zum Sprung nach vorne an, das erkannte Kamm sofort. „Lopez, wir müßen schießen. Sie setzt zum Sprung an“. „Noch nicht bitte, Senora Kamm. Diesmal treffe ich bestimmt“, antwortete Lopez, der hektisch dabei war eine weitere Kartusche aus dem Köfferchen zu reißen, als er dieses kurz aus dem Griff verlor und es seitlich wegrutschte. Durch eine halbe Drehung, fielen alle weiteren Kartuschen ins Wasser. Nur die eine, die Lopez in der Hand hatte, war jetzt noch übrig. Das „verdammt“ von Kamm ignorierte Lopez und wollte gerade die Kartusche laden, als ihm diese von hinten aus der Hand gerissen wurde. Lopez drehte sich und erblickte Michael, der sich an ihm vorbeidrängte. Bevor er noch irgendwie reagieren konnte, war Michael schon dabei sich an Heinze vorbei zu schieben, der davon ganz überrascht wurde. Kamm, ihre Waffe auf die Kreatur richtend, erblickte die Szenerie an der rechten Seite und erkannte, daß Michael mit der Kartusche zu der Kreatur wollte. „Verdammt! Wo kommt der den jetzt her“, rief sie und blickte dabei mehrmals kurz Heinze an, der ein ratloses Gesicht machte. „Seien sie nicht verrückt! Machen sie keinen Quatsch!“ rief sie Michael zu. „Das ist die letzte Kartusche. Ich habe gerade alles mitbekommen, als ich angekommen bin. Von dieser Kartusche hängt Svenjas Leben ab, da will und muß ich jedes Risiko ausschließen“, antwortete Michael mit weinerlicher, aber entschlossen klingender Stimme und Tränen in den Augen. Als er sich auch schon umdrehte und der Kreatur zuwandte, die nun unmittelbar vor dem Sprung zu sein schien. „Sie wissen doch nichtmal, ob das wirklich Svenja ist“, rief Kamm und fügte hinzu, „Glauben sie denn wirklich an so einen Unsinn wie Werwölfe? Sowas gibt es in der Realität doch nicht, das wissen sie doch auch.“ Kamm wußte zwar in diesem Moment selber nicht mehr, was sie eigentlich noch glauben sollte und was nicht, aber sie versuchte gerade einen verzweifelten Menschen von einer selbstmörderischen Aktion abzuhalten und dieser psychologische Trick war die letzte Chance dazu. Michael reagierte jedoch nicht mehr, sondern ging langsam aber entschlossen auf die geduckte Kreatur zu, die ihn lüstern und gefährlich knurrend fixierte. „Senor, sie haben keine Chance. Glauben sie mir. Sie kommen nicht an sie heran. Sie wird sie vorher töten“, rief Lopez ihm von hinten zu. Michael ignorierte es und schob sich weiter durchs Wasser vorwärts. „Alle halten sich bereit!“, rief Kamm nach hinten. „Schießen, erst auf mein Kommando!“, fügte sie noch hinzu, während sie seitlich von den Gewehrschützen der Hundertschaft in die Hocke ging und Heinze und Lopez durch Gesten zu verstehen gab, das gleiche zu tun. Nun konnten sie nur noch tatenlos zusehen, was sich ereignen würde. „Svenja!“, rief Michael der Kreatur zu. „Svenja, erkennst du mich? Ich lasse nicht zu, daß du getötet wirst. Ich werde dich retten.“ Michael hatte seinen letzten Satz gerade beendet, als die Kreatur vorschnellte und sich mit lautem Brüllen auf ihn stürzte. Ein Prankenhieb traf ihn hart ihm Gesicht und riß ihm die linke Wange auf. Michael taumelte benommen zurück, während die Kreatur nachsetzte. Schon packte sie ihn mit ihrem Maul an der Kehle. Im selben Augenblick stach Michael instinktiv zu und rammte ihr die Spitze der Impfkartsuche in die Brust, wo sie stecken blieb. Für einen Moment schienen alle Bewegungen der Beiden zu erstarren und nur das gequälte Röcheln und Gurgeln Michaels war zu vernehmen. Kamm erhob ihre rechte Hand; die Schützen legten den Finger auf ihren Abzug. Die Nerven aller waren zum zerreißen gespannt. Kamm brauchte ihre Hand nun nur noch herunterreißen, dann würden sämtliche Waffen anfangen Geschosse auszuspucken. Doch plötzlich schien es, als würde etwas aus dem Körper der Kreatur entweichen, als würde sie alle Kraft verlassen. „Er hat sie erwischt! Sie hat die Impfdosis erhalten.“ Lopez war es, der dies erkannte. „Dieser Teufelskerl hat es tatsächlich geschafft“, entfuhr es Heinze mit bewunderndem Unterton. Kamm biss sich auf die Unterlippe. Sie fragte sich gerade, wie schwer Michael verletzt sei, denn auch sein Körper erschlaffte plötzlich und zu dem Blut von der Gesichtsverletzung kam jetzt noch Blut, das von seinem Hals herablief. Schließlich sackten beide nach unten und fielen ins Wasser. „Ich denke wir können jetzt hingehen“, sagte Lopez zu Kamm, die daraufhin den Einsatzkräften die Anweisung gab, die Gewehre runter zu nehmen. Mit vorgehaltenen Waffen näherten sie sich den beiden leblos daliegenden Körpern. Als sie, sie erreicht hatten, bäumte sich der Körper der Kreatur plötzlich auf und wurde von Krämpfen geschüttelt. Unbeschreibliche Laute einer gequälten Kreatur drangen aus ihrer Kehle. Sofort rissen die Leute der Hundertschaft ihre Waffen wieder hoch. Doch Lopez stellte sich vor sie, breitete seine Arme aus und bedeutete ihnen, durch langsame Auf- und Abwärtsbewegungen, daß keine Gefahr mehr bestand. „Der Umwandlungsprozess hat begonnen“, sagte er wieder Kamm zugewandt. „Wie lange dauert das?“ wollte Heinze wissen, während Kamm über Funk Krankenwagen anforderte. „Mindestens eine Stunde, sagen unsere Wissenschaftler“, antwortete Lopez. „Die betroffenen Personen konnten sich nach der Umwandlung an nichts mehr erinnern, was sich nach der Verwandlung ereignete. Ich denke, daß es hier auch nicht anders sein wird.“ Kamm bemühte sich um Michael, der noch lebte und röchelte. Während Lopez und Heinze sich um die Kreatur kümmerten, kniete Kamm im Wasser und hielt den Oberkörper Michaels in ihren Armen. Einer der Hundertschaftler versuchte die Blutung an Michaels Hals zu stoppen, indem er diesen verband. Doch Kamm spürte, daß es zu spät war. Der Blutverlust war schon zu groß. Flackernd öffnete Michael seine Augen und blickte in die Kamm‘s hinauf. „Was ist mit Svenja? Lebt sie?“ fragte er mit schwacher Stimme und zitternden Lippen. „Ja“, antwortete Kamm, „sie haben sie gerettet“. Ein Lächeln huschte über Michaels Gesicht. „Ich hab wohl Pech gehabt. Ich schaffs nicht“. „Doch! Sie schaffen es. Sie müßen nur durchhalten“, erwiderte Kamm und spürte doch, daß er Recht hatte. „Ich habe vorhin mitbekommen, als Senor Lopez sagte, daß Svenja von ihrer Verwandlung nichts wissen wird. Bitte sagen sie ihr nichts davon, daß ich durch sie starb. Sie kann nichts dafür und ich möchte nicht, daß sie sich Vorwürfe macht. Ich möchte, daß sie glücklich ist.“ „Ich versprechs ihnen: Von uns wird sie es nicht erfahren.“ Kamm wurden die Augen feucht, ob der großen Liebe, die dieser Mann für seine Freundin im Herzen trug. Dann fiel Michaels Kopf langsam zur Seite und sein Körper erschlaffte. Seine linke Hand öffnete sich und Kamm sah ein silbernes Kruzifix, das sie an sich nahm bevor es ins Wasser fallen konnte..... *.... Seit sie im Krankenhaus aufgewacht war, kümmerten sich alle sehr liebevoll um Svenja und verhielten sich so, als hätten sie Kenntnis von einem sie umgebenden Geheimnis. Reportern und Polizisten hatte sie schon Fragen beantwortet, doch meistens mußte sie antworten: „Ich weiß nicht. Ich kann mich an nichts erinnern.“ Und in der Tat fühlte sie sich, als hätte sie eine Alkoholvergiftung gehabt und in Folge dessen einen sogenannten Filmriss, ein Blackout. Sie hielt ihr Kruzifix in der Hand, das diese Polizeikommissarin, Kamm, ihr gestern aushändigte, mit der Erläuterung, daß sie es in Michaels Hand gefunden hätte. Svenja wußte immer noch nicht, wie Michael denn genau umgekommen war. Irgendwie wich man ihren Fragen danach aus. Diese Kamm genauso, wie ihr Kollege. Und auch diese beiden Spanier. Sie spürte, daß man sie schonen wollte. Doch sobald sie wieder ganz auf den Beinen war, würde sie es herausfinden, das nahm sie sich fest vor. Die Tränen liefen Svenja die Wangen herab, als sie auf Michaels Foto schaute, das Michaels Mutter ihr auf das Tischen neben ihrem Bett gestellt hatte. Sie streichelte zärtlich über ihren Bauch und ein liebevolles Lächeln überzog plötzlich ihr von Trauer gezeichnetes Antlitz. Im Geiste hörte sie wieder die Stimme des Arztes, als er ihr sagte, sie sei schwanger. Es gab ihr Kraft und Trost zu wissen, daß ein Teil Michaels in ihr heranwuchs und ein Kind ihrer großen Liebe bald das Licht der Welt erblicken würde. .... .... .. .. .. .. .. .. ENDE.... .. .. .. ..

DAS SCHLAFVIDEO (Geschichte,1.Teil)

Paul war sich nicht ganz im klaren darüber, was genau er von der Aktion eigentlich erwartete. Er mußte über sich selber schmunzeln, als er die letzten Einstellungen an der Videokamera vornahm. Er hatte sie auf einem Stativ so ausgerichtet, daß ihr Objektiv genau sein Bett erfasste. Er verband noch die Kamera mit dem Festplattenrecorder und ging dann ins Bad. Während er sich die Zähne putzte, kamen ihm plötzlich Zweifel, ob das, was er vorhatte, wirklich ratsam war. Sich selber beim Schlafen auf Video aufzunehmen, war das nicht etwas kindisch?, fragte er sich. Doch wie oft hatte er in der letzten Zeit diese Schmerzen und Atemnot, die aber immer wieder ausklangen, wenn er schweißgebadet aufwachte und sich im Bett aufrichtete. Immer öfter fühlte er sich morgens wie gerädert, als wäre er über Nacht auf einer Streckbank gefoltert worden. Schließlich litt schon seine Arbeitsleistung darunter und er fing an Tabletten zu nehmen. Sein Arzt hatte ihm diese Tabletten verschrieben, jedoch halfen die ihm einfach nicht. Sein Arzt machte immer wieder einen ratlosen Eindruck. Dann hatte Paul diesen Bericht über ein Schlaflabor gesehen. Und so kam er also auf die verrückte Idee, eine Nacht die Videocamera im Schlafzimmer laufen zu lassen, da er befürchtete Schlafzuwandeln oder ähnliches. Er wollte einfach wissen, ob sich während seines Schlafes eventuell irgendetwas ausergewöhnliches ereignete, das diese Symptome hervorrief. Nein, wenn er so darüber nachdachte; so kindisch war das nicht, es war schon das richtige. Am nächsten Morgen würde er mehr wissen, wenn er die Aufnahme angeschaut hätte. Er ging ins Schlafzimmer, schaltete die Kamera, die auf Nightshoot eingestellt war, sowie den Festplattenrecorder ein und warf noch einen letzten, prüfenden Blick durchs Okular. Alles stimmte, und so legte er sich ins Bett. Der Radiowecker zeigte 21:30 an. Paul zog die Decke hoch bis zum Hals und schlief auch bald darauf ein. In dieser Nacht wurde er nur einmal wach, aber wiederum schweißgebadet und mit diesen Schmerzen und der Atemnot. Für einen Moment war er versucht die Aufnahme zu stoppen und sich das bisher aufgenommene anzuschauen, doch verwarf er den Gedanken gleich wieder. Er schaute auf die Uhr: 00:42. Er ging kurz ins Bad, wechselte den Schlafanzug und trank etwas Wasser aus dem Wasserhahn. Dann ging er wieder ins Bett. Als der Radiowecker ertönte, fühlte Paul sich wieder wie gerädert. Er schaltete den Radiowecker aus, der 05:30 anzeigte und ging, wie unter Hypnose, ins Bad. Als er fertig rasiert und gewaschen war und er nach dem Frühstück gerade seine Jacke anzog, da viel ihm der Festplattenrecorder ein, den er beinahe vergessen hätte. Er ging ins Schalfzimmer und schaltete den Recorder und die Kamera aus. Dann machte er sich auf den Weg zur Arbeit. Als er nach Feierabend nach Hause kam, war er voller Neugier über den Inhalt der Nachtaufnahme. Doch er zwang sich selber zur Disziplin und machte sich zunächst etwas zu Essen. Als er gegessen und gespült hatte, machte er sich endlich daran den Festplattenrecorder ins Wohnzimmer zu bringen und ihn am TV-Gerät anzuschließen. Gerade als er einschalten wollte, klingelte das Telefon. Es war Uschi; seine Arbeitskollegin. "Hi! Ich wollte nur mal fragen, ob Du heute Abend Zeit und Lust hättest auszugehen?" "Ich weiß nicht", antwortete Paul, "Kann ich Dich in ner Stunde zurückrufen ?" "Klar", sagte Uschi, "ich bin zu Hause." "OK, dann bis später", sagte Paul. "Bis später", erwiderte Uschi, dann legten sie auf. Paul schaltete nun Fernseher und den Recorder ein. Er sah sich, wie er sich hinlegte und bald einschlief. Ziemlich unspektakulär, dachte Paul bei sich. Nach einigen Minuten wurde es ihm zu lang und er beschleunigte die Wiedergabegeschwindigkeit. Und auch im Schnelllauf, blieb die Aufnahme unspektakulär. Doch dann, als der Timecounter 00:04:08 anzeigte, tat sich was. Etwas tauchte im Bild auf, etwas das aussah wie...eine Gestalt. Paul spürte wie sich sein Rücken zusammenzog und ein kalter Schauer von ihm Besitz ergriff. Nervös und mit zitternden Fingern schaltete er den Schnellsuchlauf auf rückwärts. Bei 00:00:00 schaltete er auf Normalgeschwindigkeit. Er sah sich da liegen, und dezent konnte er sich atmen hören. Dann, bei 00:03:45, war noch etwas anderes zu hören, etwas, das sich anhörte, als wenn jemand in den letzten Zügen läge. Pauls Herz krampfte sich zusammen und schlug, wie wild. Bei 00:04:01 schälte sich eine hellgrün leuchtende Gestalt aus dem Dunkelgrün der Nightshootaufnahme. Sie tauchte aus dem Hintergrund auf und bewegte sich vom Fußende des Bettes auf das Kopfende zu. Diese Gestalt hatte die Konturen eines Menschen, doch war sie durchsichtig und statt eines Antlitzes, war da nur eine schimmernde hellgrüne Fläche. Paul merkte wie es ihm die Kehle zuschnürte. Sein Herz raste... 31.01.2009 FORTSETZUNG FOLGT
Diese Geschichte begann ich im Januar 2009 zu schreiben und postete den Anfang auf meinem alten myspace-Account, doch einige Wochen später, bevor ich weiter an ihr arbeiten konnte, wurde der Film "Paranormal activity" angekündigt, der genau das gleiche Thema zum Gegenstand hatte. Ich gab daraufhin die Komplettierung dieser Story auf, und es blieb also bei diesem ersten Teil.

VERZWEIFLUNGSTAT (Betrachtung)

Los Angeles Ein Vater tötet seine fünf kleinen Kinder, dann seine Frau und sich selbst, wegen Verlust des Arbeitsplatzes. Man ist fassungslos und eine große Traurigkeit überkommt einen, bei einer solchen Meldung. Man fragt sich, ob es vielleicht vorher Signale gegeben hat, die von Oberflächlichkeit und Ignoranz übersehen/überhört wurden ? Hätte mehr Sensibilität vielleicht helfen, es verhindern können ? Jedenfalls sagt uns eine solche Meldung eines ganz deutlich: Die Welt braucht mehr Sensibilität!

WINTERFREUDE (Erlebnis)

Und plötzlich ist der Winter da. Alles verschneit und es bleibt liegen, und die Kinder müßen nicht nach einer halben Stunde enttäuscht wieder ihre Schlitten heimbringen. Ich gehe über schneebedeckte Wege durch die Natur und überall toben Kinder ausgelassen im Schnee; schaufeln mit kleinen Kinderschaufeln, mit denen sie ansonsten Sandkästen oder Strände attackieren, geräumten Schnee lachend auf die Straße, oder bauen Schneemänner. Überall kreuzen Kinder mit Schlitten den eigenen Weg oder man wird von Eltern überholt, die ihren Kindern als Schlittenpferd dienen. Ein Mädchen mit Zopf, mit einem Zweig als Gerte, treibt ihren Vater fröhlich an, ihren Schlitten schneller zu ziehen. Eine Mutter fährt mit ihrem Sohn auf einem Schlitten einen Abhang hinunter, verfolgt von zwei übermütigen Hunden, die sich ein Wettrennen mit dem Schlitten zu liefern scheinen. Eine Frau die per Nordic Walking durch den Schnee stapft, wird von einem Mann auf Skiern überholt. Die frostige Luft knistert unter den Sonnenstrahlen und der Schnee knirscht und knackt unter den eigenen Schritten. Tief saugt man die frische Winterluft ein und ein Wohlbehagen erfüllt das Herz und die Seele. Wenn man die Menschen so sieht, wie sie sich mit kindlicher Freude im und am Schnee vergnügen, wie sie Playstation, TV und DVD-Player vergessen zu haben scheinen...wie wenig es doch oft bedarf um Menschen mit Freude zu erfüllen und glücklich zu machen. 06.01.2009

ENGEL FÜR EINEN STERBENDEN HUND (Erlebnis)

Am 01.Januar fuhr ich Abends nach Krefeld, um dort Verwandte zu besuchen. Auf der B 288, kurz vor der Auffahrt auf die Uerdinger Brücke, stand rechts und links der Fahrbahn jeweils ein Fahrzeug mit eingeschaltetem Warnblinklicht. Leute waren zu sehen und von dem rechten Fahrzeug machte eine Frau Anstalten die Fahrbahn, in Richtung des Fahrzeugs auf der Linken Seite, zu überqueren, so hatte ich den Eindruck. Ich dachte noch, na, du wirst doch wohl mein Fahrzeug wahrgenommen haben , verringerte die Geschwindigkeit und hielt mich bremsbereit. Doch sie wartete ab, bis ich vorbei war. Dann sah ich in der Mitte der Fahrbahn ein großes Tier liegen, regungslos. Ich dachte an ein Reh, auch wegen der Nähe des Waldes. Ich fuhr rechts ran und schaltete ebenfalls Warnblink an. Ich stieg aus und dann erkannte ich, daß es sich bei dem Tier um einen großen Hund handelte, während ich fragte, ob ich irgendwie helfen könne. Die Frau vom Fahrzeug auf der rechten Seite kam auf mich zu und wirkte ziemlich mitgenommen. Es stellte sich heraus, daß der Hund, der ein breites Halsband trug, völlig allein auf die Fahrbahn gelaufen und von dem Auto, das am linken Fahrbahnrand stand, erfaßt wurde. Die Fahrerin, eine sehr junge Frau, war auch ausgestiegen. Die Frau vom rechten Fahrzeug meinte, sichtlich mit den Tränen ringend, daß man das arme Tier doch nicht so da liegen lassen könne und verzweifelte daran, daß die meisten Fahrzeuge ungebremst vorbeifuhren. Schon hatte sie den Hund gepackt und schleppte ihn an den rechten Fahrbahnrand, wo sie ihn ablegte. Ich holte aus meinem Wagen eine Rettungsfolie, die ich im Handschuhfach hatte, denn man konnte das Tier schließlich nicht auf dem frostigen Boden liegen lassen. Wir breiteten sie aus, legten das Tier darauf und packten es darin ein.Ich selber konnte optisch keine Lebenszeichen wahrnehmen, jedoch auch keine Verletzungsspuren. Es war allerdings ja auch schon sehr dunkel. Dann sah ich einen kleinen Blutfleck. Eine andere junge Frau, mit einer Nasencreole und einer bunten Strickwollmütze, kniete neben dem Hund, hielt eine Hand auf seinen Kopf und immer wieder ihr Ohr an seine Brust. Sie meinte, daß da noch Lebenszeichen wären, aber man müße ihn gehen lassen, er wolle gehen. Ich rief die Polizei an, nachdem mir ein Mann meine Frage verneinte, ob schon jemand dies getan hätte. Doch schließlich sah ich die junge Frau, vor deren Wagen der Hund gelaufen war, ebenfalls mit dem Handy telefonieren. Sie sagte mir dann, sie habe auch schon die Polizei angerufen und es würde jemand kommen. Die Frau vom Wagen auf der rechten Fahrbahnseite meinte, der Hund sei auf die Fahrbahn zugelaufen und sie hatte keine Möglichkeit gehabt ihn zurückzuhalten, dann habe sie es auch schon knallen hören. Sie sei selber mit ihrem Hund spazierengegangen und gerade auf dem Weg zu ihrem Fahrzeug gewesen. Schließlich traf ein Streifenwagen ein und die Polizisten meinten erst, die junge Frau, die beim Hund kniete, sei das Frauchen. Mehrmals sprach ein Polizist sie an, bis sie schließlich ihren Blick von dem Tier löste, ihren Kopf hob und dies verneinte, worauf sie sich sofort wieder dem Tier widmete. Die Polizei wollte das Tierheim anrufen. Dann fuhr vor meinem Wagen ein Fahrzeug rechts ran. Ein Mann stieg aus und kam telefonierend auf uns zu, "ja, das ist der Robby", hörte ich ihn sagen und "kannst du das Blaulicht sehen?". Es war der Hundehalter. Die Frau vom Wagen am rechten Fahrbahnrand verabschiedete sich einige Minuten später, immer noch sichtlich mitgenommen und auch ich verlies dann diesen Ort und fuhr weiter. Da ich selber ein großer Tier- und speziell Hundefreund bin, ließ auch mich dieses Erlebnis nicht unbeeindruckt. Woran ich oft denken muß, ist die junge Frau, die trotz der Eiseskälte und mit immer stärker tropfender Nase, bei dem Hund auf dem blanken, frostigen Boden kniete, nicht von seiner Seite wich und ihm mit ihrer Hand, tief über ihn gebeugt, etwas Wärme, besonders aber mitfühlende Nähe spendete. Ich weiß nicht, was aus dem Tier geworden ist, ich zweifle aber, daß es überlebt hat. Doch das Verhalten dieser jungen Frau, es ist wie eine kleine Flamme der Menschlichkeit im Eissturm. Ich bin mir sicher, daß diese Frau eine Erkältung davon getragen hat. Ihr Verhalten hat mich am Herzen und an der Seele berührt. 04.01.2009