Montag, 26. Dezember 2011

BOMBEN GEGEN BETENDE MENSCHEN (Betrachtung)

In Nigeria versammeln sich Menschen in Kirchen, Brüder und Schwestern in Christo, um die Geburt des Heilands zu feiern. Sie beten und singen, zu Ehren Jesu und seiner Botschaft der Liebe und Vergebung. Dann zerfetzt eine Bombe ihre Leiber,reisst 35 von ihnen in den Tod. Man ist sprachlos, hilflos, ratlos.

Sonntag, 25. Dezember 2011

DAS MENSCHENKIND MIRIAM (Dramatische Weihnachts-Geschichte)

Miriam schwamm in einem Pool, auf den die Sonne warm schien, das Wasser war wohlig warm. Ihre Eltern waren am Rande des Pools und gaben ihr ein Gefühl der Geborgenheit. Doch plötzlich verfinsterte sich der Himmel, und ihre Eltern waren verschwunden; sie war mutterseelenallein. Dann nahm sie etwas bedrohlich wirkendes wahr, das sich unter ihr ins Wasser schob. Angst kam in ihr auf, und sie wollte fliehen, den Pool verlassen, aber sie konnte nicht heraus, denn über ihr war eine schwere Glasplatte, die kein Entkommen zuließ. Sie merkte, dass das Wasser absank und erkannte, es wurde von dem bedrohlichen länglichen Gegenstand aufgesaugt. Ihre Angst wurde immer größer, und Panik begann von ihr Besitz zu ergreifen. Der Wasserspiegel sank und sank. Das Element, in dem sie sich gerade noch so geborgen gefühlt hatte, wurde weniger und weniger. Sie vermeinte Stimmen zu hören, die jedoch kaum zu verstehen waren, so als würden sie durch Berge von Watte zu ihr dringen. Schließlich war das Wasser vollständig aus dem Pool entwichen und ließ sie völlig schutzlos auf dessen Grund zurück. Sie wusste nicht, ob sie erleichtert darüber sein sollte, dass auch der bedrohliche Gegenstand verschwand. Wie ein langes, sich verjüngendes Rohr aus Edelstahl sah er aus, dies konnte sie noch erkennen, bevor er ganz verschwunden war. Obwohl es unter der Glasplatte warm war, begann sie zu zittern. Sie fühlte sich so ausgeliefert und fürchtete sich vor etwas, von dem sie ahnte, dass es kommen würde, jedoch wusste sie nicht was es sein würde, nur dass es gefährlich sein würde. Dann tauchte der rohrähnliche Gegenstand wieder auf, er schob sich einfach durch die Mauer ins Poolinnere. Immer wieder vernahm sie dumpf Stimmen, die von hinter den Kacheln zu kommen schienen. Wo waren ihre Eltern? Warum schützte sie niemand? Aus der Öffnung des Gegenstandes ergoss sich Wasser in den Pool, der sich rasch wieder zu füllen begann. Das Wasser kam zurück. Sollte ihre Ahnung sie getäuscht haben, wurde hier nur ein Schabernak mit ihr getrieben? Als es sie erreichte zuckte sie zusammen. Es war sehr unangenehm an ihrer Haut. Jetzt nahm sie auch wahr, dass es ganz anders roch, nicht so angenehm wie das Wasser welches eben abgesaugt wurde. Sie krabbelte schnell in die letzte freie Ecke des Pools und wusste doch, sie würde dem ausgeliefert sein, das da nun kam. Da wo die nun einströmende Flüssigkeit sie schon berührt hatte juckte es stark und brannte auch leicht. Das war kein Wasser, zumindest kein normales. Immer stärker schoss es hinein, und der Pegel begann rasch anzusteigen. Schließlich schwamm sie bereits darin und fing vor Verzweiflung und Pein an zu weinen. „Mama, Mama“, rief sie halb weinend, halb schluchzend. Doch niemand war da, sie war völlig allein und schutzlos ausgeliefert. Die ersten Spritzer drangen an ihre Lippen, es schmeckte extrem salzig, sodass sich ihr Mund zusammenzog. Sie verschloss fest ihre Augen, um sie davor zu schützen. Als schließlich die Glasplatte erreicht war, da drang es auch durch ihren Mund in ihr Inneres und verursachte dort höllische Schmerzen. Sie wurde immer panischer, bekam keine Luft mehr. Letztendlich, drohte sie zu kollabieren. Als sie mit ihrem Leben abschloss und bereits leblos unter der Glasplatte schwamm, brach plötzlich eine Wand des Pools ein und der gesamte Inhalt ergoss sich mit ihr nach draußen. Da lag sie nun, nackt und von höllischen Schmerzen überzogen. Aber sie war noch nicht tot. Anfangs schwach, dann immer stärker, versuchte sie zu schreien. Mit schwachen Bewegungen demonstrierte sie sich selber, dass noch Leben in ihr war. Auf einmal nahm sie das hübsche Antlitz einer jungen Frau wahr, welches Verwunderung, aber auch verzweifeltes Mitleid zeigte. Die Frau telefonierte mit irgendjemand. „...Erdrosseln, ich soll sie erdrosseln? Ich kann das nicht...“ Miriam erschrak zutiefst und begann Mitleid erregend zu weinen und zu schluchzen. Dann wachte sie auf und war erleichtert, wie so oft schon, es war nur ein böser Traum; wieder mal. Sie stand auf und schaute aus dem Fenster auf die Straße. Draußen war es noch dunkel, dennoch konnte Miriam alles erkennen, da es in der Nacht geschneit hatte und nun die Stadt von einer dicken weißen Schneeschicht überzogen war. Um die Laternen, deren gelbliches Licht, zusammen mit dem Winterweiß, ein anheimelnd schummeriges Bild vor dem schwarzen Nachthimmel produzierten, tanzten wild unzählige dicke Schneeflocken herum, auf ihrem Weg zum Boden. Mitten in dieses Schneegestöber hinein, tauchte das rotierende Licht eines Räumfahrzeuges auf, das sich schwerfällig durch den Schnee kämpfte. Miriam erkannte, dass es Unmengen waren, es musste die ganze Nacht hindurch so stark geschneit und lautlos die Stadt in diese Märchenlandschaft verwandelt haben, dachte Miriam bei sich. Eine kindliche Freude erfüllte ihr Inneres und plötzlich war die Restmüdigkeit und der Schrecken des Albtraumes wie weggeblasen. Schnell duschte sie sich, zog sich an und, nachdem sie ein schnelles Frühstück verzehrt hatte, machte sich auf den Weg zur Arbeit. Sie war froh, dass ihre Eltern noch schliefen; sicher war ihr Wecker mal wieder einfach ausgefallen. Ja, dieser alte Wecker, hatte schon soviel Ärger verursacht, und doch verließen ihre Eltern sich immer wieder auf ihn, anstatt endlich einen neuen zu kaufen. Miriam musste schmunzeln. Wären die beiden wach gewesen, sicher hätte Dad darauf bestanden sie zu fahren, bei dem Wetter. Aber das wollte sie ja nicht, sie genoss es so sehr, durch den tiefen Schnee und das Schneegestöber zur Bushaltestelle zu gehen. Ihr Herz jauchzte vor Glück und Freude, denn sie liebte den Schnee. Jetzt war es gar nicht mehr so tragisch, dass sie heute arbeiten musste. Heute war der 24. Dezember, und es war nicht nur Heiligabend, es war auch ihr Geburtstag. Sie empfand es immer schon als große Ehre, an diesem Tag geboren worden zu sein, und dieses Wetter jetzt, das krönte alles noch. Vergessen waren ihre Behinderungen, der humpelnde Gang und die stets lauernden Gleichgewichtsstörungen. Sie stapfte durch die weiße Winterwunderwelt, schaute lächelnd zum Himmel auf und dankte Gott für dieses Geschenk. Im Supermarkt, in dem Miriam als Auszubildende arbeitete, war heute gewaltig was los. So viele Leute wollten auf den letzten Drücker noch Besorgungen erledigen. Doch während ihre Kolleginnen stöhnten, strahlte Miriam vor Glück und innerer Freude. Sie war zwar heute besonders Fröhlich, doch auch sonst strahlte sie meist Freude und Zuversicht aus, weswegen sie von allen gemocht wurde. Auch die Kunden fanden immer wieder anerkennende, freundliche Worte für sie. Manch einer, der mit ernstem Gesicht in das Geschäft kam, verließ es wieder mit einem Lächeln, nachdem er mit Miriam zusammengetroffen war. Sie hatte eine unbekümmerte, offene und liebenswürdige Art auf Menschen zuzugehen. Über ihre Behinderungen machte sie eher Witze, als dass sie darüber jammerte, was ihr oftmals die Bewunderung ihres Umfeldes einbrachte. Schließlich war es soweit, der Feierabend war da. „Wenn du magst, fahre ich dich nach Hause“, rief eine Stimme hinter ihr. Miriam drehte sich um und blickte in das lächelnde Gesicht ihrer Kollegin Leila. „Danke, Leila, aber das wäre doch ein riesiger Umweg für dich. Das möchte ich nicht.“ „Ach was, zerbreche dir mal nicht meinen Kopf. Wenn ich es dir anbiete, dann kannst du das ruhig annehmen. Du hilfst anderen soviel, da mache ich das gerne.“ „Das ist wirklich lieb von dir, aber...“ „Nix aber“, unterbrach Leila sie, „ich fahre dich. Außerdem fahre ich heute zu meinem Bruder, da ist der Umweg sowieso nicht ganz soweit“ Leila sah Miriam mit einem herausfordernden Grinsen an, und machte dabei eine lockende Geste mit der Hand. „OK!“, sagte Miriam, worauf Leila mit dem rechten Auge kniff und die Türe aufhielt. Im Frühling und Sommer, wenn Leila auf die Straße trat, verdrehten sich alle Männer ihren Hals um dieser Schönheit hinterherzuschauen, doch jetzt, im Winter, bei diesem Schneegestöber, da war die Welt auf den Kopf gestellt. „Du fährst nicht zu deinen Eltern?“ fragte Miriam, während sie in Leila's Käfer einstieg. „Meine Eltern sind auch bei meinem Bruder“, antwortete Leila, und fügte hinzu, „wir fahren mal zu meinem Bruder, dann mal zu Onkeln und Tanten, dann wieder kommen die anderen zu meinen Eltern und mir, jedes Wochenende woanders. Und du wirst mit deinen Eltern zusammen schön Weihnachten feiern?“ „Ja“, erwiderte Miriam, „ich freue mich schon sehr darauf.“ „Ich als Muslimin, auch wenn ich jetzt nicht so super religiös bin, habe mich für euer Weihnachtsfest nie sonderlich interessiert. Vielleicht liegt das auch daran, weil ich kein Freund von Kitsch bin, und alles, was ich so beiläufig von diesem Fest mitbekomme, sehr viel Kitsch aufweist. Manchmal frage ich mich, wieviele Christen überhaupt noch wissen, was sie da eigentlich genau feiern.“ Miriam wollte etwas erwidern, doch Leila redete weiter. „Eigentlich interessiert mich das auch nicht weiter, aber Du bist ein guter Mensch, Miriam. Und ich wünsche Dir, dass Du mit Deiner Familie wunderschöne Feiertage haben wirst. Außerdem wünsche ich Dir zum Geburtstag, alles Liebe und Gute.“ Leila nahm die Rechte Hand vom Lenkrad weg, holte ein kleines Päckchen mit Schleife hervor und hielt es Miriam hin. Miriam nahm es sichtlich bewegt an sich und schaute Leila liebevoll an, die ihren Blick kurz lächelnd erwiderte, um dann aber wieder durch die Windschutzscheibe ins Schneetreiben zu schauen, und aufs Fahren zu achten. „Danke, Leila! Ganz herzlichen Dank. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ „Ach was, pack einfach aus“, erwiderte Leila. Miriam öffnete das Päckchen und entnahm einer kleinen Plastikdose mit Innenpolsterung eine goldene Kette mit Anhänger, auf dem etwas eingraviert war. „Das ist Persisch“, erklärte Leila. „Das heißt übersetzt, du bist etwas besonderes. Dreh es mal um.“ Miriam tat was Leila sagte und las auf der Rückseite eingraviert: Schön, das es dich gibt, Miriam. „Ich bin sprachlos“, sagte Miriam. „Aber, Leila, ich kann das nicht annehmen.“ „Warum das denn?“ fragte Leila. „Naja, wir bekommen doch nur unser Lehrlingsgehalt, und das hier ist doch Gold. Ich meine...“ „Ach Quatsch“, unterbrach sie Leila, „das geht schon in Ordnung. Wenn du das nicht annimmst, dann bin ich wirklich böse mit dir.“ „Ach mensch, Leila, ich danke dir wirklich sehr.“ Miriam drückte kurz ihre Wange seitlich gegen Leilas Oberarm. „Ich wünschte, mehr wären so wie du, dann wäre es um diese Welt anders bestellt“, sagte Leila, während sie rechts ran fuhr und anhielt. „Da wären wir. Ich wünsche Dir einen schönen Geburtstag und schöne Feiertage“, sagte sie, und schaute Miriam lächelnd an. Miriam erwiderte das Lächeln und fragte, „möchtest Du nicht mit reinkommen, ein Stück Kuchen essen und einen Kaffee trinken?“ „Danke, aber ich muss los, meine Familie wartet schon auf mich. Außerdem, wenn das weiter ununterbrochen so stark schneit, dann komme ich mit dem Auto nicht mehr weit.“ „Ja“, stimmte Miriam zu, „sowas gab es hier wirklich noch nie. Wäre es Regen, könnte man von Sintflut sprechen.“ Sie verabschiedeten sich, mit Küsschen auf die Wangen, dann fuhr Leila, noch einmal kurz winkend, weiter. Miriam sah, wie sich der Käfer mühsam durch den Schnee schob, der seitlich weggedrückt wurde, wie die Bugwellen eines schnell fahrenden Bootes. Dann verschwand Leilas Wagen hinter dem dichten Vorhang aus herabsegelnden Schneeflocken. Als Miriam in die elterliche Wohnung eintrat, empfing sie wohlige Wärme, Kaffeeduft und ihr Kater Mikesch, den sie einst aus dem Tierheim holte, und der sich nun gerade an ihre rechte Wade schmiegte. Aus dem Wohnzimmer drangen leise die Klänge von O du fröhliche an ihr Ohr. Sie zog Stiefel, Schal und Mantel aus, schlüpfte in ihre Pantoffeln und ging, mit Mikesch auf dem Arm, ins Wohnzimmer, wo ihr Vater, Karl, gerade dabei war den letzten Schmuck am Christbaum anzulegen. Ihre Mutter, Ellen, kam aus der Küche und schaute sie vorwurfsvoll an. „Warum hast du nicht gewartet? Dein Vater wollte jetzt losfahren um dich von der Arbeit abzuholen. Hast dich bei diesem Schneechaos selber auf den Weg gemacht. Ach Gott, Kind, was hätte da passieren können.“ Ihr Vater drehte sich zu ihr um und schenkte ihr ein herzliches Lächeln. „Da ist ja unser kleiner Sonnenschein. Deine Mutter hat Recht, ich wollte in der Tat jetzt losfahren, dich abholen. Aber du bist eine Kämpferin, das stand schon bei deiner Geburt fest. Fahren denn die Busse so pünktlich bei diesem Wetter, dass du jetzt schon hier sein kannst, oder hattet ihr früher Feierabend?“ „Weder noch“, antwortete Miriam. Und ihr könnt euch beruhigen, Leila hat mich nach Hause gefahren. „Ach, das ist aber nett von ihr“, stieß Ellen aus. „Leila, das ist doch dieses hübsche persische Lehrmädchen, nicht wahr?“ fragte sie nach. „Mama, Leila ist keine Perserin. Ihre Großeltern sind damals aus politischen Gründen aus Persien hierher geflohen, als Mossadegh gestürzt wurde, zu dessen Anhängern ihr Großvater zählte. Leila ist hier geboren und aufgewachsen.“ „Naja, aber sie hat doch persische Wurzeln“, warf Ellen ein. „Ist schon OK, Mama, ich weiß schon was du meinst.“ Als Miriam zu ihrem Vater schaute kniff der ihr ein Auge. „Aber das mit der Kämpferin, Papa, das ist schon richtig. Ich hätte auch kein Problem damit gehabt, mit dem Bus nach Hause zu fahren. Kann es denn etwas schöneres geben, als eine solche Winterhölle genau zum Heiligabend?“ Karl grinste und warf letzte Lamettafäden über den Weihnachtsbaum. „Wir machen uns halt Sorgen, Kind“, sagte Ellen. „Mama, ich bin doch kein Kind mehr, heute ist mein 18. Geburtstag.“ „Ja, die Zeit vergeht“, seufzte Karl, während er die Krippenfiguren aufstellte. „OK, was haltet ihr davon, wenn wir jetzt Kaffee trinken?“, fragte Ellen. „Oh, ja“, erwiderte Miriam, „da habe ich mich schon drauf gefreut.“ „Setz dich, Schatz“, sagte Karl zu Miriam, deutete mit der Hand auf das Sofa und folgte Ellen in die Küche. Miriam machte es sich auf dem Sofa bequem und streichelte Mikesch, der laut schnurrte und die Augen zukniff. Dann kamen ihre Eltern aus der Küche, Ellen mit einer Geburtstagstorte und Karl mit der Kaffeekanne. Karl hätte Miriam auch gerne das Geburtstagsgeschenk gegeben, doch wie jedes Jahr hatte Miriam darum gebeten, dieses zur Bescherung unter den Weihnachtsbaum zu legen. Nachdem Miriam die Kerzen ausgeblasen hatte, genossen sie die Torte und den frischen Bohnenkaffee. Sie erzählten sich von ihrem Tag und sprachen gerade über das beispiellose Schneetreiben draußen, als sie vernahmen, wie der Radiomoderator berichtete, dass in mehreren Städten, so auch in ihrer, der Strassenverkehr total zum erliegen gekommen sei, teilweise sogar Räumfahrzeuge im Schneechaos liegenblieben. Mancherorts sei es bereits zum Einsturz von Dächern gekommen. Der Moderator sprach vom stärksten Schneeniederschlag an einem Tag, seit hundert Jahren, und dass über das Gebiet der Notstand verhängt worden sei. Das Militär sei angewiesen worden, in den am schlimmsten betroffenen Orten mit eigenem Gerät zu helfen. „Wie gut, dass wir wegen der Weihnachtstage viel mehr eingekauft haben, und unsere Schränke voll sind“, sagte Karl, „wer weiß was da noch kommt, und wann wir wieder zum Einkaufen kommen.“ Es schellte an der Wohnungstüre. Karl wollte aufstehen, doch Ellen machte mit der Hand eine Geste, dass er sitzen bleiben solle, und ging selber. „Und?“ sagte Karl zu Miriam und schaute sie fragend an. „Was, und?“ „Na, wenn ich dich anschaue, dann sehe ich eine glückliche junge Dame. Aber...“ „Aber?“ unterbrach in Miriam lächelnd, und kraulte dabei Mikesch, der mittlerweile rücklings in ihrem Schoß lag, und das Wellnessprogramm laut schnurrend,mit geschlossenen Augen genoss. „Aber da ist noch was. Ich spüre, dass dich etwas im inneren stark beschäftigt. Willst du darüber reden?“ Miriam überlegte kurz. „Ach weißt du, Daddy...“. Karls Gesicht wurde ernster; Daddy nannte sie ihn immer nur, wenn sie überglücklich war, oder Sorgen hatte. Ansonsten sagte sie seit Jahren schon einfach Dad. „Ach, Daddy, ich hatte wieder diesen schrecklichen Alptraum, der mich mein ganzes Leben schon zu verfolgen scheint.“ „Vor drei Tagen“, sagte Karl, „ja, das hattest du mir aber schon erzählt, am nächsten Tag noch“. „Nein, Daddy, letzte Nacht hatte ich ihn schon wieder.“ Karl krampfte es das Herz zusammen, als er Miriams Antlitz so bekümmert sah, das eben noch so glücklich strahlte. „Es ist einfach schrecklich, Daddy. Ich meine dann immer ersticken zu müssen und meine Haut, Augen und der Rachen brennen wie Feuer. Ich erleide Höllenqualen um dann endlich, völlig nassgeschwitzt, aufzuwachen. Ich versuche immer wieder eine Erklärung dafür zu finden, warum ich all die Jahre immer und immer wieder den gleichen Traum habe, alle paar Tage. Ich frage mich, ob es dann aufhören würde, würde ich eine Erklärung finden.“ Ellen kam herein und hatte einen Teller mit einem Christstollen darauf in der Hand. „Den Stollen hat Frau Diemer von nebenan uns gebacken. Außerdem wünscht sie uns ein frohes Fest.“ „Das ist aber nett von ihr“, sagte Karl. „Hast du sie nicht gefragt, ob sie kurz mitreinkommt?“ fragte Miriam. „Ja, hab ich, aber sie meinte, sie hätte noch viel zu tun. Sie haben Besuch über Weihnachten.“ Ellen ging auf Miriam zu, nahm die Hand von ihr, die gerade Mikeschs Pfote streichelte, und legte ein kleines Geschenkpäckchen hinein. „Das soll ich dir von Frau Diemer geben, zu deinem Geburtstag. Für den den Sonnenschein in unserem Haus, zum Geburtstag, sagte sie.“ Ellen warf Karl ein Lächeln zu, der es erwiderte. „Ach, Frau Diemer“, sagte Miriam liebevoll. „Pack's doch aus“, sagte Karl. Miriam tat es und hielt schließlich einen vergoldeten Anhänger mit Kette in der Hand. Dieser Anhänger stellte eine Sonne dar, mit Augen Nase und Mund, die so zufrieden lächelte, wie man es ansonsten nur von Buddafiguren kennt. Umrahmt wurde sie von lauter runden, gewellten, langen Spitzen, die ihre Strahlen darstellen sollten. Ein kleines Kärtchen lag noch bei, auf dem Miriam las: „Dieser Anhänger soll dir zeigen, wie wir dich sehen, und er soll allen anderen zeigen, dass du Sonnenschein in deinem lieben Herzen trägst. Zu deinem 18. Geburtstag alles Liebe und Gute, dies wünscht dir Familie Diemer.“ Miriam war sichtlich berührt. „Das ist so lieb“, sagte sie, und fügte hinzu, während sie den Anhänger in ihrer Hand betrachtete „aber das kann ich doch nicht annehmen“. „Doch, glaub mir, das kannst du“, sagte Ellen. „Das kommt von Herzen. Und wenn du es nicht annimmst, würdest du sie sehr verletzen.“ „Aber dann gehe ich jetzt eben rüber und bedanke mich persönlich“, sagte Miriam, und erhob sich auch schon, nachdem sie Mikesch sachte auf das Sofa platziert hatte, der vom plötzlichen Abbruch des Verwöhnprogramms nicht gerade begeistert war. Halb verschlafen hüpfte er schließlich vom Sofa und begab sich zu seiner Hausbar, in einer Ecke der Küche, wo immer ein paar Snacks und Drinks bereitstanden. Ellen hatte ihm gerade einen Milch-/Wassercocktail zubereitet. Ja, hier wusste man, was ein richtiger Kater wie er liebt. Er genehmigte sich einige Schlucke und verzog sich dann auf seinen Kratzbaum. Karl nutzte die Abwesenheit Miriams aus und erzählte Ellen von Miriams neuerlichem Alptraum, und ihrer hoffnungslosen Suche nach einer Erklärung „Das arme Kind“, sagte Ellen mit besorgter Miene. „Ellen, ich, ich meine, wir sollten mit ihr reden“. „Nein, Karl“, erwiderte Ellen aufgeregt. „Und überhaupt, heute, an ihrem 18. Geburtstag und Weihnachten?“ „Ja, heute, jetzt“, antwortete Karl in bestimmendem Tonfall, und schaute Ellen an, dass ihr klar war, er würde hier nicht abweichen von seiner Überzeugung. Die Wohnzimmertür ging auf und Miriam trat ein. Sie bemerkte die sorgenvollen Mienen der beiden. „Ist etwas passiert?“ fragte sie. „Und, hast du mit Frau Diemer gesprochen?“ erkundigte sich Ellen, die nur das Thema wechseln wollte, und versuchte dabei ein ungezwungenes Lächeln aufzusetzen. „Ja, hab ich“, antwortete Miriam, dabei prüfend den Blick zwischen Karl und Ellen hin und her wendend. „Frau Diemer sprach auch beiläufig meine Behinderung an, und wie viel Achtung sie davor habe, dass ich trotzdem so zielstrebig meinen Lebensweg gehe. Und sie meinte, ich hätte ein gutes Herz .“ „Das hast Du auch“, stießen Ellen und Karl fast zeitgleich aus. Miriam lächelte verschämt. „Sagt mal bitte, ich habe nie gefragt warum ich eigentlich diese Behinderungen habe; das Humpeln und die Gleichgewichtsstörungen blieben mir ja bis heute. Warum ich gerade heute frage, ich weiß es nicht, aber...“ Miriam machte eine kurze Pause, als suchte sie nach der richtigen Formulierung einer Frage, die sie doch vielleicht schon so viel früher hätte stellen können, müssen, sollen. Sie wusste es nicht, Aber sie wollte es jetzt wissen. „Woher kommen meine Behinderungen, welche Ursache hat das? Ist bei meiner Geburt etwas schiefgegangen? Bekam ich als Baby irgendeine Krankheit?“ Sie nahm Mikesch auf den Arm, der sich schon wieder an ihre Beine schmiegte, und schaute ihre Eltern fragend an. Karl blickte zu Ellen, machte mit der Hand eine ausladende Geste in Richtung Miriam, und nickte, als wolle er damit sagen: Da hörst du es selber, wir müssen mit ihr reden. Ellen blickte besorgt. „Karl,... Geburtstag,.... Weihnachten“, sagte sie beschwörend in seine Richtung. „Wir haben es uns geschworen“, erwiderte er. „Was habt ihr euch geschworen?“ fragte Miriam und sah sie verwundert an. „Redet ihr über mich?“ „Ja, Kind“, antwortete Ellen, legte ihr eine Hand auf die Schulter und führte sie zum Sofa. „Setz dich, Schatz, wir müssen dir etwas erzählen“, sagte sie. Miriam setzte sich auf das Sofa, mit Mikesch auf dem Arm, der es sich dann wieder rücklings auf ihrem Schoß bequem machte um dann erneut von Miriam an Brust und Bauch gekrault zu werden. Ellen und Karl setzten sich jeweils links und rechts von ihr daneben. Von draußen drang laut das Läuten der Glocken durch die weihnachtlich geschmückten Fenster. „Was ist los, was wollt ihr mir erzählen? Ihr macht mir Angst“. „Du brauchst keine Angst haben, Sonnenschein“, sagte Karl und nahm ihre Hand. Ellen nahm die andere Hand, drückte sie ganz fest und lächelte sie mit feuchten Augen an. Mikesch, schon wieder der verwöhnenden Hände Miriams beraubt, schaute kurz wo diese denn geblieben waren, ließ den Kopf dann resignierend zurücksinken, blieb aber weiter auf Miriams Schoß liegen, darauf hoffend, dass Miriam bald weitermachte. „Was,... was ist denn?“, fragte Miriam mit unsicherer, fast ängstlich klingender Stimme. Sie sah, dass sich in Ellen´s Augen mehr und mehr das Wasser zu sammeln begann. Eine sachte ansteigende Flut, die die Deiche, die ihre Augenlider bildeten, bald überwinden würde, um sich als dann über ihre Wangen zu ergießen. „Weißt du“, setzte Karl an, „wir haben sehr mit uns gerungen, deine Mutter und ich, wann und ob wir es dir überhaupt erzählen sollen.“ „Was denn?“, fragte Miriam, nun sichtlich nervös. „Bitte, lass deinen Vater erklären“, sagte Ellen und schaute sie mit einem Blick an, der eine Mischung war, aus Traurigkeit, Mitgefühl und Sorge. „Wir haben es uns nicht leicht gemacht“, fuhr Karl fort. Schließlich einigten wir uns darauf, dass du ein Recht darauf hast, und wir es dir erzählen, wenn du – ein gewisses Alter und entsprechendes Verständnis vorausgesetzt – das erste mal ganz konkret jene Frage stellst, die du nun eben an uns gerichtet hast. Allerspätestens wollten wir es dir aber erzählen, wenn du dir ein völlig eigenständiges Leben aufgebaut hast und mit beiden Beinen fest im Leben stehst. Wir haben uns dies geschworen. Trotzdem hatte deine Mutter Bedenken und wollte es heute nicht, um dich an deinem Geburtstag und zu Weihnachten nicht damit zu belasten. Doch Schwur ist Schwur“. Er schaute kurz zu Ellen herüber, um dann wieder Miriam anzuschauen, in deren Kopf es heftig arbeitete. „Außerdem, so denke ich, ist der Zeitpunkt im Gegenteil gut geeignet, da wir nun ein paar Tage zusammen sind. Niemand von uns muss zur Arbeit und, wie es aussieht, wir können wohl auch erstmal kaum raus, bei diesem Wetterphänomen. Ein Winter, wie du ihn dir immer zu Weihnachten ersehnt hast, Schatz. OK, kommen wir also zur Sache. Es gab da mal eine junge Frau, ein Teenager von 17 Jahren; unerfahren, unvernünftig, leichtlebig, verantwortungslos. Zu ihren Gunsten sei erwähnt, dass sie einen Freund hatte, der fünf Jahre älter, aber noch verantwortungsloser war. Sie wurde von ihm schwanger, wusste aber wohl nicht was sie machen sollte. Sie wollte kein Kind, sie wollte das Teenagerleben, beziehungsweise ihre Vorstellung davon, auskosten. Aber sie traute sich nicht, sich an irgendjemanden zu wenden, und wartete und wartete. Auch ihr Freund wollte kein Kind, und je sichtbarer die Schwangerschaft wurde, desto mehr Druck übte er auf sie aus, etwas dagegen zu unternehmen. Sehr spät erst, im achten Schwangerschaftsmonat, wendete sie sich dann an eine bekannte Klinkik für Schwangerschaftsabbrüche. Man erklärte ihr, dass auch eine Spätabtreibung durchaus möglich und gängige Praxis sei. So kam es dann. Der Dienst habende Abtreibungsarzt durchstieß die Fruchtblase und saugte das Fruchtwasser ab.“ In diesem Moment schellte es wieder. Als wenn sie dankbar wäre für diese Unterbrechung, sprang Ellen auf und eilte zur Wohnungstür. „Daddy, was um Himmels Willen wollt ihr mir erzählen?“ fragte Miriam, sichtlich irritiert. Karl setzte zu einer Antwort an, als Ellen zurückkam. „Die Nachbarn wollen eben den Eingang zum Haus von Schnee freiräumen, weil der schon wieder kniehoch liegt, und sie fragten an, ob wir mithelfen.“ „Aber nicht jetzt, Ellen“, erwiderte Karl. „Ja, ich sagte, dass es jetzt absolut nicht geht“. Das Telefon klingelte, und Ellen, die gerade daneben stand, ging ran. „Schwarz“, meldete sie sich. „Ja, Christian, hallo. Was ist los? Willst Du Bescheid sagen, dass ihr später kommen werdet? Ja, heftig das mit dem Schneefall. Im Radio sprachen sie von Notstand. Was? Ach du meine Güte. Nein! Ja, natürlich. Schade! Nein, das muss man akzeptieren. Miriam und Karl werden traurig sein. Ja, aber wir telefonieren heute Nacht noch, ja? Hoffentlich bricht das Telefonnetz nicht auch noch zusammen. Ja, sicher, richte ich aus. Grüße du auch Charlene und die Kinder. Ja, um zwölf Uhr rufen wir euch an. Bis später dann. Bye!“ Ellen legte auf und wendete sich Karl und Miriam zu, die sie ahnungsvoll anstarrten. „Onkel Christian und Tante Charlene kommen nicht?“ fragte Miriam betrübt. „Nein“, antwortete Ellen, „sie können einfach nicht. Draußen steht es wohl viel schlimmer als wir dachten. Die Schneeräumdienste sind total überfordert. Onkel Christian sagte, im Fernsehen hätten sie gerade berichtet, dass jetzt auswärtige Einsatzkräfte angefordert wurden. Heute Nachmittag verlor der Fahrer eines Räumfahrzeugs die Orientierung und beschädigte drei PKW vor ihrem Haus, auch Christians Wagen ist dabei; der Schaden ist enorm. Doch an Fahren ist auf den Straßen sowieso nicht mehr zu denken. Nicht mal zu Fuß kommt man draußen noch klar. Charlene und die Kinder konnten mit dem Hund schon nicht mehr richtig Gassi gehen, er musste notgedrungen vor der Haustüre sein Geschäft verrichten. Flug- Bahn- und Busverkehr sind komplett eingestellt worden, und die Behörden rufen zum sparsamen Umgang mit Strom auf, da es zu Problemen mit der Stromversorgung kommen könnte. Außerdem sollen die Bürger Decken, Kerzen, Taschenlampen und so weiter bereit halten. Es sei sogar schon zu Dacheinstürzen gekommen, wie sie ja auch schon im Radio erwähnten.“ „Also, wird diese Weihnacht ganz, ganz anders verlaufen, als wir geplant haben“, seufzte Karl. „Ja“, erwiderte Ellen, „und das in jeder Hinsicht“. Sie schaute dabei vielsagend auf Miriam, die etwas traurig dreinblickte. „Machen wir das beste draus“, sagte Karl. „Dann machen wir uns eine gemütliche und besinnliche Weihnacht zu dritt, nur wir drei, ganz für uns.“ „Und Mikesch“, fügte Miriam hinzu. „Ja, und Mikesch natürlich auch“, sagte Karl lächelnd und schaute auf den Kater, der schnurrend auf Miriams Schoß lag. „OK, wie wäre es mit einem Eierpunsch?“ fragte Ellen. „Ja, das wäre toll“, sagte Miriam. „Dem schließe ich mich an“, antwortete auch Karl. „Ich soll euch beide übrigens herzliche Grüße ausrichten, von Onkel Christian“, sagte Ellen, bevor sie in der Küche verschwand, um sich um den Eierpunsch zu kümmern. „Warte, ich helfe dir“, sagte Karl, und folgte ihr. Als dann später alle einen ersten Schluck des warmen Getränkes gekostet hatten, sagte Miriam, „bitte erzähle nun weiter Dad.“ „Ja“, meinte Karl, „soll ich wirklich, oder doch lieber später mal.“ „Nein, Karl“, meinte Ellen, „jetzt hast du schon soviel erzählt, jetzt mach auch weiter. Das arme Kind ist doch sonst total irritiert.“ „Ja, ich möchte jetzt gerne alles erfahren, wenn es mit mir zu tun hat“, fügte Miriam hinzu. „Ja, natürlich. Wie dumm von mir“, sagte Karl, und er nahm wieder Miriams Hand. Auch Ellen nahm wieder die andere Hand. „OK“, setzte Karl an, „wo war ich stehen geblieben? Ja, bei dem Fruchtwasser. Also, bei dieser Art von Spätabtreibung verläuft es so“, setzte er noch mal neu an, „dass das Fruchtwasser aus der Fruchtblase abgelassen wird...“ Karl räusperte sich; man merkte ihm an, dass es ihm schwer viel weiter zu erzählen. „Dann wird stattdessen eine stark konzentrierte Kochsalzlösung in die Fruchtblase eingefüllt...“ Wieder machte Karl eine Pause, sammelte sich. Ellen fing zu schluchzen an und wieder sammelte sich das Wasser in ihren Augen. Miriam wurde nun sehr unwohl zumute. Ihr Gesicht verlor seine Farbe und in ihrem Kopf jagten sich Gedanken, Bilder und Emotionen. Mit einem verzweifelten Blick schaute sie erst zu Ellen, dann zu Karl, dem es nun noch schwerer fiel, weiterzuerzählen. „Nun, diese Kochsalzlösung führt in der Regel dazu, dass das Baby äußerlich und innerlich schwere Verätzungen erhält, die zu seinem Tod und frühzeitiger Geburt, innerhalb von vierundzwanzig Stunden, führt. Sollte das Baby doch noch am leben sein, nach der Entbindung, was hin und wieder vorkommt, wird es entweder vom abtreibenden Arzt erdrosselt oder einfach zum Sterben liegengelassen.“ Karl rang mit seinen Gefühlen. Miriam schaute ihn fassungslos an. „Wie kann es soetwas geben, wie können Menschen sowas zulassen , wie können Menschen soetwas nur tun?“ fragte sie mit zitternder Stimme. „Das ist eine berechtigte Frage“, antwortete Karl. „Man muss sich als Mensch schämen und möchte an der Welt verzweifeln. Und die Mehrheit der Menschen weiß nichts davon, obwohl es offen vor ihnen geschieht. Doch die meisten wollen es irgendwie auch nicht wissen, was da täglich hunderttausendfach geschieht. Mich erinnert es an die Hinmordung der Neugeborenen unter König Herodes.“ „Bitte...erzähl weiter“, bat Miriam leise. „Nun, in diesem Fall war nun alles anders. Nicht nur, dass das Baby trotzdem lebend zur Welt kam, es hatte offensichtlich auch einen unbändigen Lebenswillen. Das entscheidende aber war, dass der diensthabende Arzt jener Abtreibungsklinik gerade Pause hatte. Ob die Schwester nun einfach überfordert war, mit der Situation allein dazustehen, oder ob sie es moralisch nicht bewältigen konnte,... dies wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Jedenfalls rief sie einen Notarztwagen, der das Neugeborene in eine städtische Klinik brachte. Das Baby war in einem sehr kritischen Zustand, überlebte jedoch. Es behielt starke Behinderungen zurück. Zunächst kam es zu einer Pflegefamilie, die es aber wieder abgeben wollte, da sie mit den Behinderungen nicht umgehen konnte. Schließlich konnten andere Pflegeeltern gefunden werden, die das Kind sofort in ihr Herz schlossen. Die Behinderungen waren wirklich schwer und viele Leute aus dem Umfeld meinten, dieses Kind würde nie ein normales Leben führen können, weil es unter anderem den Kopf nicht heben, und die Beine nicht bewegen konnte. Die Leute meinten, es würde niemals gehen und ein selbstständiges Leben führen können.“ Karl sah, dass Miriam die Tränen über die Wangen liefen und streichelte ihr mit dem Daumen über den Handrücken. Auch ihm schoss jetzt das Wasser in die Augen. Vor diesem Moment hatte er sich immer gefürchtet, wo er ihr diese Geschichte würde erzählen müssen. Miriam begann ruckartig zu schluchzen, schaute Karl an, schaute Ellen an, und fing nun an zu Weinen, dass es Karl und Ellen fast das Herz zerriss. In diesem Moment wusste Karl, dass Miriam begriffen hatte; es handelte sich bei jenem Baby um sie selbst. Ellen nahm sie in die Arme, drückte sie an sich, streichelte ihr über den Hinterkopf und fing nun auch selber zu weinen an. „Ja, Miriam, dieses Baby warst du“, sagte Karl, und legte ihr behutsam eine Hand auf den Rücken, als könne er ihr damit irgendwie Halt geben. „Ja, und du hast gekämpft, weißt du noch?“ fragte er sie. Es war so schön zu sehen, wie du nicht aufgabst und Stück für Stück dir das Leben erkämpft hast, das dir andere verwehren wollten; als wolltest du es allen Zweiflern beweisen. Und du hast es ihnen bewiesen. OK, das Humpeln und die hin und wieder auftretenden Gleichgewichtsstörungen werden wohl bleiben, aber schau dich an, Schatz, du bist ein so hübsches Mädchen, und alle Leute mögen dich. Wir sind damals mit dir weit weggezogen, hierher, in diese Stadt, und niemand außer unserer Familie kennt hier deine Geschichte. Du allein entscheidest, wie du damit umgehst, und ob jemand davon erfährt oder nicht. Ja, du bist, allen Unkenrufen zum Trotz, in der Lage ein selbstständiges Leben zu führen, und das macht uns so stolz.“ Karl wusste nicht, ob Miriam, die ihr Gesicht auf Ellen´s Schulter presste und hemmungslos heulte, ihn überhaupt hörte, aber er sprach trotzdem weiter. „Nicht nur, dass du diesen Kampf gewonnen hast, nein, du bist auch ein so wundervoller Mensch geworden. Du warst von Anfang an unser Sonnenschein, und das wirst du auch immer bleiben. Auch wenn wir dich adoptiert haben, du bist unsere Tochter, und du bist ganz tief in unseren Herzen drin.“ Als sich Miriam ein wenig gefangen hatte, löste sie ihren Kopf von Ellen´s Schulter und lehnte sich zurück. Ellen wischte sich ihre Tränen weg. „Wissen Kevin und Sarah auch davon?“ fragte Miriam schluchzend. „Nein, Onkel Christian und Tante Charlene haben es ihnen nie erzählt. Aber selbst wenn; so wie die beiden an dir hängen wäre es für sie völlig unbedeutend. Schade, dass sie nicht kommen, ihre Gesellschaft wäre jetzt gut für dich“, sagte Ellen. „Wie konnte diese Frau das nur tun, wie konnte sie ihr Kind, wie konnte sie mich einfach ermorden lassen?“ fragte Miriam, und wischte sich mit den Händen über die rotgeweinten Augen. „Diese und ähnliche Fragen stellen sich viele Menschen, nicht nur hier, auch anderswo in der Welt“, antwortete Karl. „Wieso habe ich das überlebt?“ „Tja“, sagte Karl, und zuckte mit den Schultern. „Du bist eine Kämpferin, aber das hätte dir natürlich auch nicht viel geholfen, wenn an jenem Heiligabend der abtreibende Arzt nicht in diesem Moment gerade eine Pause gemacht hätte. Warum das so war, und warum die Schwester einen Notarztwagen rief? Keine Ahnung.“ „Ein Wunder“, sagte Ellen. „Und für dieses Wunder danke ich Gott. Du bist die Tochter die wir uns immer wünschten“, fügte sie hinzu. „Wir konnten leider keine eigenen Kinder kriegen, aber eine bessere Tochter wie dich können sich Eltern nicht wünschen.“ Als wolle er damit Ellen´s Worte unterstreichen, strich Karl Miriam über die Wange. „Der größte Triumph des Lebens an jenem Tag war, dass der Abtreibungsarzt, also der Mann, der dich eigentlich töten wollte, am Ende noch deine Geburtsurkunde unterschreiben musste. Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man darüber lachen.“ „Wie können Menschen soetwas nur zulassen?“ wiederholte Miriam ihre Frage. Wieder fing sie zu weinen an. All die Jahre hatte sie nie gefragt, warum sie diese Behinderungen hatte, sie hatte es einfach akzeptiert. Und anstatt zu jammern, hat sie das Gehen gelernt, Schritt für Schritt, Tag für Tag. Sie hatte nicht eher Ruhe gegeben, bis sie ihren Kopf normal bewegen konnte. Sie hat sich ihren Körper zum größten Teil zurückerkämpft; bis auf das Humpeln und die Gleichgewichtsstörungen ab und an, hatte sie alle Behinderungen bezwungen. All die Jahre wurde sie immer wieder von dem gleichen Albtraum gepeinigt, und hatte keine Ahnung gehabt, dass der mit den Behinderungen in direktem Zusammenhang stand. Jetzt erfuhr sie, dieser Albtraum war in Wirklichkeit eine Art Erinnerungsszenario zu einem Ereignis, aus dem ihre schweren Behinderungen resultierten. Sie hatte zu akzeptieren, dass ihre leibliche Mutter ihr das angetan hat, und Karl und Ellen nicht ihre leiblichen Eltern waren. Karl legte einen Arm um sie, und Miriam legte ihren Kopf auf seine Brust. „Sie mal, dort, unter dem Christbaum, in der Krippe. Da liegt das Jesuskind. Es hat überlebt, obwohl König Herodes es töten lassen wollte. Und um die Krippe herum, da stehen die Hirten und schauen liebevoll auf das Kindlein. Und da kniet Joseph daneben, und auch er schaut liebevoll auf das Kind. Obwohl er nicht sein leiblicher Vater ist, nimmt er es an, als wäre es sein eigenes. Und so wirst du für uns auch immer unsere Tochter sein. Du hast dich stets zu Gott und Jesus bekannt, und ich denke, du tust gut daran, wenn du daran festhältst. Vielleicht hat Gott an jenem Tag seine Geduld verloren, die von den Menschen immer wieder sehr strapaziert wird. Er möchte, dass die Menschen von alleine Erkenntnis gewinnen, ohne dass er sie dahin zwingen muss. Doch als ausgerechnet an jenem Tage, an einem Heiligabend, ein Kind getötet werden sollte, da hat er vielleicht ein wenig eingegriffen. Vielleicht hat er dich auch für etwas besonderes vorgesehen. Aber das sind nur Überlegungen deines Vaters. Ich habe mir darüber all die Jahre schon so oft den Kopf zerbrochen. Und es ist schon eigenartig, dass du die Frage ausgerechnet auch an einem Heiligabend gestellt hast, noch dazu an deinem achtzehnten Geburtstag. Ich denke, wenn es so ist, dass Gott seine Hand über dich hält und eine besondere Aufgabe für dich hat, dann wird er dir das zu erkennen geben.“ „Ich bin also ein Mensch, den es eigentlich gar nicht geben dürfte“, sagte Miriam. „Das darfst du nicht sagen“, erwiderte Ellen und streichelte ihr übers Haar. „Deine Mutter hat Recht“, sagte Karl, „du bist so vielen Menschen ein Sonnenschein. Immer wieder bekommen wir es von Leuten gesagt, was für ein liebenswertes Mädchen du doch bist. Sie sprechen mit höchster Anerkennung von dir, von deiner Freundlichkeit, deiner Fröhlichkeit, deinem Charme, deiner Hilfsbereitschaft und deinem Mitgefühl. Und wenn man bedenkt, dass Mark, der Schwarm aller Mädchen hier im Viertel, immer nur mit dir ausgehen will...“ Karl grinste bei diesen Worten und deutete zärtlich ein Kneifen in Miriams Wange an. Draußen begannen wieder die Glocken zu läuten. „Was meint ihr, sollen wir ein wenig auf den Balkon gehen und Glocken, Schnee und Sternenhimmel genießen?“, fragte Karl. Er schaute runter auf Miriams Gesicht, das immer noch auf seiner Brust ruhte. „Hm, was meinst du, Sonnenschein?“ hakte er nach. Er nahm ein Nicken Miriams wahr. „Und danach werde ich mich ums Essen kümmern“, meinte Ellen, strich Miriam nochmal zärtlich über die Wange, stand auf und öffnete die Balkontür. Eiskalt wehte die Winterluft herein. Ellen holte Jacken für alle drei, und nachdem sie sie angezogen hatten, gingen sie auf den Balkon hinaus. Da dieser vertieft in der Hausfront lag, war nicht allzuviel Schnee auf ihm niedergegangen. „Was für ein herrlicher Anblick“, sagte Karl, und sog tief die klare Luft ein. Karl und Ellen nahmen Miriam in ihre Mitte und legten jeweils einen Arm um sie. Zwischen ihren Beinen huschte ein schwarzer Schatten vorbei, Mikesch, der die Gelegenheit nutzte und draußen mal nach dem Rechten sah. Vor ihnen breitete sich ein traumhafter Anblick aus. Hecken, Büsche, Straßen, Autos, alles war komplett unter Unmengen von Schnee begraben, einfach nicht mehr wahrnehmbar. Von den Straßenlaternen ragte nur noch die obere Hälfte heraus, und ihr Licht färbte diese Winterwelt, entlang der Straßen, in feierliches Goldgelb. Durch den starken Schneefall funkelten die Sterne vom nächtlichen Weihnachtshimmel, und zwischen den Fassaden der Häuser hindurch, deren Dächer dick bedeckt waren, drang das festliche Geläut der Kirchenglocken zu ihnen. „Ist das nicht wunderbar; ist das nicht einfach Märchenhaft?“ sagte Ellen. „Wie lange schon wünscht du dir eine weiße Weihnacht“, sagte Karl, und schaute Miriam lächelnd an. „Dass es gerade diese Weihnacht so kommt, und dann auch noch dermaßen heftig, das gehört wohl auch dazu“. Karl wusste selber nicht, ob er das so glaubte, was er da erzählte, aber musste und wollte es Miriam leichter machen, zu akzeptieren, was sie da soeben erfahren hatte. „Vielleicht...“, sagte Miriam, wieder sich Tränen abwischend. „Ja? Was vielleicht?“, fragte Karl. Und auch Ellen fragte, „was denn Schatz?“ „Vielleicht hat Gott mich gerettet, damit mein Schicksal die Menschen wachrüttelt, dass es soetwas nicht geben darf, dass Kinder legal getötet werden.“ In diesem Augenblick wusste Karl, dass Miriam nicht daran zerbrechen würde. Da war sie wieder, die Kämpferin, und eine Last fiel von seinem Herzen ab. Ein Blick zu Ellen, und ihr Lächeln, zeigten ihm, auch sie hatte dies soeben erkannt. Auf diesen Gedanken waren weder er noch Ellen jemals gekommen. „Ja, Sonnenschein, dass ist durchaus möglich, es ist sogar wahrscheinlich“, erwiderte er. Nach einer Zeit gemeinsamen Schweigens sagte Karl dann: „Auch wenn dieser Jahrhundertwintereinbruch verhindert hat, dass Onkel Christian und Tante Charlene mit den Kindern zu uns kommen, und somit unsere ganze Planung hinfällig ist, so ist dies ist zwar bedauerlich, aber nicht zu ändern“. „Es ist Gottes Wille, also ist es gut so“, erwiderte Miriam. Ellen war immer froh, dass der Glaube und das Bekenntnis zu Gott und Jesus Miriam auch immer Halt gegeben haben, und sie spürte in diesem Augenblick, dies würde auch in Zukunft so sein, und es war auch nie so wichtig wie gerade jetzt. „Sollen wir wieder?“ fragte Karl. Miriam nickte. Kaum öffnete Ellen die Balkontür, flitzte Mikesch geschwind in die warme Stube, als hätte er Angst, er könnte ausgesperrt werden. Als alle wieder drinnen waren, schloss Ellen die Tür und von diesem Moment an nahm ein Heiliger Abend seinen Verlauf, der so ganz anders war als geplant, und der ein neues Kapitel im Leben Miriams einleitete, aber auch in dem von Karl und Ellen, weil diese nun kein Geheimnis mehr belastete. ENDE

Dienstag, 6. Dezember 2011

DAS LACHEN EINES BABYS (Betrachtung)

Da öffnet man ein Video auf youtube und sieht ein Baby auf einem Sessel sitzen. Die Hände eines erwachsenen Mannes (wahrscheinlich der Vater) erscheinen im Bild, falten vor dem Baby ein Blatt Papier auseinander und reissen es durch, worauf das Baby mit einem herzaften Lachen reagiert. Immer wieder reissen die Hände ein Stück vom Papier ab, und immer ansteckender wird das herrliche Lachen dieses Babys. Zwischendurch hört man auch die Stimme eines Mannes, wahrscheinlich die des Mannes, wie auch sie von diesem Lachen angesteckt wird. Es ist wirklich ein Video das zu Herzen geht und in einem etwas öffnet, ein Fenster in die Vergangenheit, zu der eigenen Kindheit. Das Video trägt den Titel "Wer schafft es 30 Sekunden nicht zu lachen -- Baby laughing"...ich jedenfalls schaffe es nicht. :-) Hier der Link zum Video: http://www.youtube.com/watch?v=bHPK7Uh0bIo

Montag, 21. November 2011

EINE STIMME AUS DEM VOLKE (Betrachtung)

Daß es niveaulosen Revolverblatt-Journalismus gibt, dies muß man wohl tolerieren, auch wenn es einem sehr oft schwer fällt. Immer wieder werden von gewissen Zeitungen, Magazinen oder Sendern moralisch ethische Grenzen überschritten, unter Berufung auf die Pressefreiheit. Leider wird diese Pressefreiheit nur zu oft als Freibrief zur Diffamierung, Verhöhnung, Verächtlichmachung, bis hin zur Hetze betrachtet. Von Zeitungen mit nackten Frauen auf der Titelseite kann man sowieso keinen seriösen Journalismus erwarten. Traurig ist, daß solcherlei Fäkal-Berichterstattung meinungsbildend auf die breite Masse wirkt. Man erinnere sich an den Fall Sebnitz, wo eine ganze Stadt an den Pranger gestellt wurde und die Zeitung sich nichteinmal entschuldigte, als herauskam, daß dieser Rufmord an einer ganzen Gemeinde auf einer konstruierten Geschichte beruhte. Ein solcher Journalismus, auf unterstem Niveau, hat sich nun plötzlich auf eine ganze Nation eingeschossen und tobt sich auf den Gefühlen und Empfindungen des griechischen Volkes aus. Mal ganz davon abgesehen, daß hier den Deutsch-Griechischen Beziehungen Schaden zugefügt wird, riecht es in diesem Falle nach gezielter Provokation. Auffallend ist, daß dies gerade in einem Zeitraum stattfindet, wo die Stimmen sich mehren und immer lauter werden, die fordern, daß die Verantwortlichen der Finanzkrise zur Rechenschaft gezogen werden. Daß diese Milliarden- und/oder Billionenschweren Globalplayer, über diverse Verbindungen, diese provokativen Beiträge verschiedener Medien lancieren, dies ist lediglich eine Annahme, allerdings eine nicht uninteressante. Denn wem nutzt es denn, wenn einfache Gemüter sich an jenen primitiven Artikeln und TV-Beiträgen erhitzen, die nun als Pro und Kontra die Stimmung zwischen zwei Völkern aufheizen oder aufhetzen? Wohl doch genau jenen fragwürdigen Gestalten, die eigentlich vor Gerichte gehörten, nun jedoch statt dessen schon wieder dabei sind, der Weltwirtschaft schwersten Schaden zuzufügen, durch ihr von unendlicher Gier getriebenes Wirken an den Börsen. Selbst wenn sie es nicht lancieren, dann machen sich die verantwortlichen Journalisten und Redakteure trotzdem zu deren Handlangern. So oder so, sind diese geschmacklosen Auswürfe unterster Schubladen nichts als Ablenkungsmanöver; sie lenken ab von den wirklich Verantwortlichen an der internationalen Krise und deren Machenschaften. Genau so etwas hat immer wieder auch mal in Kriegen geendet und immer nur den lachenden Dritten genutzt. Mißstände oder Fehler in einem anderen Lande zu kritisieren, ist journalistisch legitim, das heißt, wenn dies in einem seriösen Rahmen geschieht. Wer erinnert sich nicht noch daran, als in Polen, zur Zeit der letzten Fußball WM, eine Zeitung die Deutschen übelst diffamierte, und in Deutschland eine Zeitung, die sich mehr durch die Abbildung nackter Frauen, als durch fundierten Journalismus auszeichnet, dann die Polen angriff? Es war damals interessant zu erfahren, daß beide Zeitungen zum selben Verlagshaus gehören, das als Global Player international vertreten ist. Man kann nur hoffen, daß die Mehrheit der Griechen und der Deutschen dieses Spiel nicht mitmachen und statt dessen die entsprechenden Blätter und Sender mit Verachtung und Boykott bestraft, ansonsten aber immer stärker die destabilisierenden Machenschaften an den Börsen im Auge behält und deren Ahndung und Verhinderung fordert. Deutsche und Griechen sollten ein Zeichen setzen und GEMEINSAM gegen Börsengauner auf die Straße gehen, die dabei sind, die gesamte Weltwirtschaft ins Chaos zu stürzen. Wenn eine BILD-Zeitung schreibt, daß Deutschland, im Gegensatz zu Griechenland, seine Schulden bezahlen könne, dann bleibt sie es schuldig, dies einmal vorzurechnen, da es einfach Schwachsinn ist. Deutschland wurde vor Ausbruch der Krise schon nicht seiner Schulden Herr, und nur eine BILD kann behaupten, daß dies jetzt möglich wäre, wo die Zinnsbelastung der Deutschen Schulden sich verzehnfacht hat. Bei der derzeitigen Berichterstattung über Griechenland trennt sich die Spreu vom Weizen, seriöse von Gossenmedien. Durch die Art und Weise, wie sie über Griechenland berichten, enttarnen sich jene Blätter und Sender, die sich zu Werkzeugen der Völkerverhetzung zugunsten der Börsengangster machen. Interessant wäre hier einmal, zu recherchieren, welche Fäden von den skrupellosen Börsenschiebern zu jenen Medien verlaufen, die nun so mit Schlamm auf ein ganzes Volk werfen. Wir dürfen es nicht zulassen, daß die Deutsch-Griechische Freundschaft geopfert wird, auf dem Altar einer den Mammon anbetenden Börsengaunerbande und ihrer willigen Werkzeuge. Ich möchte noch an alle meine Deutschen Landsleute, die sich von diesem Schmierenjournalismus verleiten lassen, auf „die Griechen“ zu schimpfen, den Appell richten, in sich zu gehen und einmal in den Spiegel zu schauen. Vielleicht täten wir gut daran, uns wieder mehr auf unsere christlichen Werte zu besinnen. Zur Erinnerung einige Zitate von CHRISTUS: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“, „Richtet nicht, auf das ihr nicht gerichtet werdet.“, „Mit dem Maß, mit dem ihr messet, werdet auch ihr gemessen werden.“, Den Stachel im Auge eures Bruders (Griechenland) nehmt ihr wahr, den Balken im eigenen Auge aber nicht. Entfernt zuerst den Balken aus eurem eigenen Auge und helft dann eurem Bruder den Stachel aus seinem Auge zu entfernen.“ Es ist so leicht, Fehler bei anderen zu suchen und die eigenen Fehler zu ignorieren. Wie sieht es denn bei uns aus? Ist nicht hier die Steuerhinterziehung „Volkssport“, oder warum sieht sich die Bundesregierung gezwungen Bankdaten über die Schweizer Konten Deutscher Steuerhinterzieher von Kriminellen zu kaufen? Ist das Gaunern und Tricksen hier nicht weit verbreitet, oder warum regt sich Otto Normalverbraucher seit Jahr und Tag über überhöhte Preise auf? Stürzen hier nicht ganze Häuser ein(Köln), weil Bauunternehmer Stahlbügel an Schrotthändler verkaufen, die eigentlich hätten verbaut werden müssen, um eben solche Einstürze zu verhindern? Wird man in unserem Lande nicht von allen Seiten abgezockt und über den Tisch gezogen? Werden von unzähligen Reparaturwerkstätten, Handwerkern usw nicht immer wieder Teile als Schadhaft angegeben und „ausgetauscht“, obwohl diese Teile in Wirklichkeit voll in Ordnung sind? Frisieren nicht zahlreiche Heizöllieferanten den Zähler, der dann laufen gelassen wird, Minuten schon bevor das Öl den LKW Richtung Kundentank verlässt? Sind nicht von Kundenberatern diverser Banken zig Tausende getäuscht worden und haben bei der Lehmann Brothers Pleite ihre ganzen Ersparnisse verloren? Und praktizieren die selben Berater jetzt nicht schon wieder die gleichen Methoden, indem sie Anlegern hochspekulative Anlageformen als sichere Anlagen verkaufen? Und was ist mit den unzähligen Bauruinen, die windige „Geschäftsleute“ in den neuen Bundesländern hinterließen und die teilweise heute noch, von Buschwerk und Efeu verdeckt, zu bewundern sind? Damals, nach der Wiedervereinigung, starteten diese fragwürdigen „Geschäftsleute“ Scheinprojekte auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, um die EU Subventionen zu kassieren und ließen nur angefangene Baustellen zurück. usw usw usw Und was Korruption angeht, da will doch niemand ernsthaft bezweifeln, daß es in unserem Lande keine gibt. Korruption zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte dieser Republik. Wieviele Politiker mussten schon zurücktreten, weil sie das Pech hatten erwischt zu werden. Wieviele werden nicht erwischt. Ich will jetzt all die Namen gar nicht aufzählen, denn das würde den Rahmen dieses Briefes sprengen. Schlagworte, wie „Amigo-Affäre“, sind sicher noch gut in Erinnerung. Aber auch aktuelle Vorkommnisse, wie die Tatsache, daß sich Politiker gegen Geld Konzernen zur Miete anbieten, sprechen hier eine beredte Sprache. Die Selbstbedienungsmentalität von Politikern dieser Republik ist Takt angebend. Wenn Parlamentarier sich Freitags ins Anwesenheitsbuch im Bundestag eintragen, um das Anwesenheitsgeld zu kassieren, dann aber nicht dort bleiben, sondern ins Wochenende fahren, dann kann man vom einfachen Volke nicht erwarten, daß es in vergleichbaren Situationen anders handelt. Jene Politiker in Deutschland, die nun sogar die Griechische Regierung unverschämt auffordern, Staatsgebiet zu verhökern, sollten mal die Bücher des Staatsrechtlers Professor Herbert v.Arnim lesen(z.B. „Vom schönen Schein der Demokratie“) und sich damit einmal den nötigen Spiegel vorhalten lassen. Professor Markus Lutter sagte in einem Interview für die Süddeutsche Zeitung kürzlich, daß die Banker der Landesbanken, mit dem wilden spekulieren an den Börsen, Veruntreuung betrieben haben und er nicht verstehe, warum die Staatsanwaltschaften nicht tätig werden, da diese Banker eigentlich vor Gericht gehören. Man könnte diese Aufzählung unserer Mißstände endlos fortsetzen. Zum Schluss noch eine Frage: Wenn bei uns alles ach so in Ordnung ist, warum sind dann Kommunen, Länder und der Bund dabei, das Volksvermögen nach und nach an internationale Konzerne zu veräußern??? Das Deutsche Volk sollte einmal nachschauen, was ihm überhaupt noch gehört. Für den Schrecken der Erkenntnis empfehle ich dann aber, eine Flasche Baldrian bereit zu halten. Zum Abschluss noch ein altes Deutsches Sprichwort: Hochmut kommt vor dem Fall! (Verfasst im März 2010)

Freitag, 4. November 2011

SCHMIERBLÄTTER (Betrachtung)

Von Peter Kuckels Man sollte sich hüten, blindlings Ansichten oder Termionologien von Medien zu übernehmen, besonders dann, wenn man selber keine Möglichkeit hat, deren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Wenn z.B. eine Zeitung das Oberhaupt eines fremden Landes einen "Irren" nennt, oder die Angehörigen eines Volkes pauschal als "EU-Betrüger" "Faulenzer" oder "Pleite-Griechen" bezeichnet, dann ist höchste Vorsicht geboten, weil dies mit seriösem Journalismus absolut nichts zu tun hat. Welche Absichten mit solcher Art "Berichterstattung" verfolgt werden, darüber kann nur spekuliert werden. Wer dergleichen Inhalte aber übernimmt und kolportiert, der macht sich zum nützlichen Idioten, von was auch immer. Über Mißstände zu berichten, daß ist eine Sache, doch in einigen etablierten Publikationen wurde bereits die Grenze der Geschmacklosigkeit überschritten, in Richtung Hetze. Und Blätter, die, in verschiedenen Ländern, die Bevölkerung gegen die des jeweils anderen Landes aufhetzen, die entpuppen sich dann auch noch als zum selben Global-Player-Konzern zugehörig. Wer also auf bestimmte Schlagzeilen mit Diffamierungen und Beleidigungen gegen Angehörige eines anderen Volkes reagiert, der tanzt nach einer Musik die andere dirigieren. Es gibt einen alten chinesischen Spruch : "Wenn alle loben, so ist das zu prüfen. Wenn alle verurteilen, so ist das zu prüfen."

Dienstag, 11. Oktober 2011

Die Stunde der Heuchler (Betrachtung)

Wer skrupelos Uranmunition benutzt und damit ganze Areale verseucht/verstrahlt, wer Militärjuntas unterstützt und deren Schergen in Folter und Mordanschlägen ausbildet,wie z.B. in Lateinamerika, wer demokratisch gewählte Regierungen wegputschen oder ermorden lässt, wie z.B. Guzmán 1954 in Guatemala, Mosaddeq 1967 im Iran oder Allende 1973 in Chile, und wer bei Massakern, wie in Ruanda oder Sudan, untätig bleibt und auch bei der bestialischen Unterdrückung und Massakrierung des Volkes (bis hin zur Massakrierung von Mönchen), wie in Burma, schweigt und wer antidemokratische Unterdrückungsregime, wie in Nahost (Saudi Arabien, Kuwait&Co), Partner des Westens nennt, der hat jede Glaubwürdigkeit verspielt, wenn er vorgibt, mit seinen Bombenangriffen und anderen Militäreinsätzen, die Menschen in einem Erdölreichen Land wie Libyen schützen zu wollen. Im Film, "Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Bagdad" sagt der Arzt, daß der Einsatz der Uranmunition einem Genozid an der Bevölkerung in den Einsatzgebieten gleichkommt. Noch Fragen? Was sind das denn für Beschützer, die zum Schutz Waffen einsetzen, die die Menschen, die er vorgibt schützen zu wollen, schleichend hinmordet?

Freitag, 7. Oktober 2011

Gräßlicher Herbst, herrlicher Herbst?! (Betrachtung)

Der Herbst ist da, und mit ihm die immer wiederkehrenden negativen Sprüche über ihn. Doch ist der Herbst wirklich so gräßlich? Geht man raus und sieht, wie all die Bäume und Büsche ihre Farbpracht wechseln, allein das ist so wunderschön, daß es diese Sprüche schon ad absurdum führt. Ist also der Herbst negativ oder eher die Tatsache, daß viele Menschen die Fähigkeit eingebüßt haben, auch mal besinnlich sein zu können und die Schönheit auch dieser Jahreszeit wahrzunehmen?

Samstag, 24. September 2011

WOLFSNACHT -- Der Werwolf von Duisburg (Geschichte)

Geschichte vom Oktober 2009 ............ Verärgert klappte Michael sein Handy zusammen und steckte es wieder in seine Jackentasche. Dies war soeben der dritte vergebliche Versuch seine Freundin Svenja zu erreichen. Für 20:00 Uhr waren sie verabredet, doch nun war es bereits 20:45 Uhr und von Svenja war weit und breit nichts zu sehen, und wenn er ihre Handynummer wählte, bekam er immer nur ihren Mailboxtext zu hören. Er kannte das von ihr gar nicht, da sie ansonsten immer pünktlich war. Und so machte er sich nun Sorgen. Er mußte wieder an das Erlebnis denken, das sie in ihrem gemeinsamen Urlaub in den Pyrenäen hatten und bei dem Svenja von einem sehr großen Wolf verletzt wurde. Wieder lief das erlebte vor seinem geistigen Auge ab. Sie waren spät Abends mit dem Auto auf dem Rückweg zu ihrem Hotel, als Svenja durch das geöffnete Stahlschiebedach den klaren Sternenhimmel bewunderte und plötzlich den Vorschlag machte irgendwo ran zu fahren und dann außerhalb des Wagens diesen wundervollen Anblick zu genießen. Er liebte ihre romantische Veranlagung, hatte selber eine sehr ausgeprägte romantische Ader, was wiederum sie an ihm sehr schätzte. Kurz darauf bot sich auch schon eine Möglichkeit von der Bergstraße abzufahren, als sich auf der linken Seite ein Waldgebiet dunkel ausbreitete, wo eben noch sich Felsgestein erhob. Er lenkte den Wagen auf einen kleinen Platz am Waldrand der stockdunkel dalag. Die Lichtkegel der Scheinwerfer erfaßten die Stämme von Pinien und tauchten diese in ein gespenstisch helles Licht, das sich aber unmittelbar hinter den vorderen Baumreihen in der Tiefe des Waldes verlor. Er machte den Motor aus und nun erschien alles noch dunkler, als vor dem Auftreffen der Lichtkegel. „Was für eine herrliche Nacht! Und diese herrliche Stille“, hörte er noch einmal Svenjas Worte, als sei es erst einen Moment her. Dabei lag es nun schon 4 Wochen zurück. Wie schön war doch dieser Moment, als sie eng umschlungen mitten in der Finsternis standen und gemeinsam zum Nachthimmel aufschauten, der auf ihn wie eine gigantische dunkelblaue Glaskuppel mit dezenter Hintergrundbeleuchtung wirkte, an der unzählige Weißlichtdioden angebracht waren. Für Svenja aber, war dieser Nachthimmel ein riesiges Tuch aus schwarz-blauem Samt, auf dem tausende und abertausende von Brillanten ausgebreitet waren und funkelten. Doch plötzlich ging alles sehr schnell, und sie wurden brutal aus dieser schönen Stimmung gerissen. Am Waldrand, in etwa 80 Meter Entfernung, raschelte und knackte es auf einmal laut; begleitet von einem bedrohlichen Knurren. Sofort spürten beide eine lebensbedrohliche Gefahr. Und schon brach etwas großes kräftig mit lautem Knacken von Zweigen aus dem Unterholz hervor und bewegte sich schnell auf die beiden zu. Sie konnten nicht erkennen was es war, aber sie spürten das herannahen einer großen Gefahr. „Schnell, zum Wagen“, hörte er sich selber wieder rufen. Er mußte Svenja etwas an der Hand ziehen, da sie vor Schreck und Angst zunächst wie erstarrt war, was sie wertvolle Sekunden kostete. Der Wagen war etwa 10 Meter entfernt, die ihm wie 100 Meter vorgekommen waren. Hastig rissen sie die Türen auf und sprangen ins Wageninnere. Doch schon war das Wesen, das es offensichtlich auf sie abgesehen hatte, heran; auf Svenjas Seite, da es sie wohl für die leichtere Beute hielt. Als er seine Tür zuschlug, zog Svenja gerade ihr zweites Bein ins Wageninnere. Da prallte etwas hart gegen die Beifahrertür und packte Svenja am Fuß. Gleichzeitig wurde durch den Aufprall die Türe hart zugeschlagen, wodurch Svenjas Bein eingeklemmt wurde. Sie schrie laut auf, aus Schmerz und Todesangst. Dieser Schrei von ihr fuhr ihm damals durch Mark und Bein. Er würde diesen Schrei niemals vergessen können. Das Wesen hatte sie wohl nicht richtig zu packen bekommen, denn mit Michaels Hilfe gelang es, Svenjas Bein zu befreien und ins Wageninnere zu ziehen. Das harte Tapsen und Schaben krallenbewährter Pranken an der Karosserie mischte sich mit dem lauten Knurren und Brüllen eines Raubtieres. Brüllen, nein, es war kein Brüllen, es war eher eine Art Bellen. Als sie die Beifahrertüre zugezogen hatten, hatten sie nicht das Gefühl gehabt nun sicher zu sein. Sofort, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, warf Michael den Motor an, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr mit Vollgas in Richtung der Straße. Als er, mehr instinktiv als bewußt, die Scheinwerfer einschaltete, rissen die Lichtkegel ein Geschöpf aus der Dunkelheit, dessen Anblick Michael das Blut in den Adern stocken und Svenja abermals einen Schrei ausstoßen ließ. Es war ein Wolf, der sich da gerade aufrappelte und mit bedrohlich leuchtenden Augen in ihre Richtung blickte. Aber dieser Wolf war enorm groß, ein Riese seiner Art. Doch dies war nicht das einzige, das auffällig an ihm war. Seine Mimik und seine Bewegungen wirkten dermaßen aggressiv, daß man ihn für einen Dämon halten konnte. Der muß die Tollwut haben, dachte Michael damals. Doch darüber nachzudenken, dafür blieb ihm damals keine Zeit, denn dieses Biest hechtete ihnen nach, sobald es sich aufgerappelt hatte. Michael traute diesem Brocken zu, daß er die Wagenscheiben einschlagen könnte. Für Michael gab es nur noch eins, so schnell wie möglich auf die Straße zu kommen und dann Gas zu geben was der Motor hergab. In einem solchen Tempo war er noch nie zuvor im Rückwärtsgang gefahren, als er scharf links in die Straße einbog, hart bremste und hastig den Vorwärtsgang einlegte. Noch bevor er aufs Gaspedal treten konnte war das Biest heran und warf sich mit voller Wucht gegen die Fahrertüre, daß deren Scheibe barst. Wieder ließ das Biest nicht die geringste Benommenheit erkennen, sondern rappelte sich blitzschnell wieder auf, mit einem Gemisch aus Knurren und Bellen, das einem das Blut in den Adern gefrieren lassen konnte. Für eine Sekunde war Michael benommen, doch dann handelte er wieder instinktiv und fuhr mit aufheulendem Motor und quitschenden Reifen los. Das Wolfsbiest hechtete hinterher und kam bedrohlich nahe an die Fahrertür heran. Geifernd und bellend, mit gefletschten Zähnen, blickte es Michael an, der dem Motor nun alles abverlangte und das Gaspedal bis zum Anschlag durchtrat, während Svenja angsterfüllt schrie: „Er kommt! Mein Gott er schafft es, er holt auf, das kann doch nicht war sein. Gib Gas! Um Himmels Willen gib Gas.“ Wenn er es schafft, seine Schnauze durch das geborstene Fenster zu stecken, dann sind wir verloren, dachte er damals. Doch schließlich war das Tempo für das Wolfsbiest zu groß, sodaß es knurrend und bellend zurückblieb, bis es schließlich im Dunkel verschwand. Den Blick vom Rückspiegel auf den Tacho richtend sah Michael, daß die Nadel auf 190 zeigte. „Dieses Vieh war doch nicht normal“, sagte er zu Svenja, die ihn mit kreidebleichem Gesicht und zitternder Stimme fragte: „Was war das, war das ein Wolf?“ Gerade als er etwas antworten wollte, griff sich Svenja ans Bein, verzog ihr Gesicht und stöhnte gequält auf. Durch den Schock hatte sie zunächst die Schmerzen nicht mehr wahrgenommen, doch nun meldeten sich diese umso heftiger zurück. Svenja wußte gar nicht wo sie ihr Bein zuerst halten sollte, da es vom Knie bis hinunter zum Fuß schmerzte. Immer wieder richtete Michael seinen Blick kurz zu Svenja, beobachtete wie sie ihr Bein befühlte, dann den Fuß. Plötzlich zuckte er zusammen, als sie aufschrie: „Oh mein Gott, das darf nicht war sein“. Er sah, wie sie ihre Hand langsam vors Gesicht hob und das die Hand stark blutverschmiert war. .... Im Krankenhaus mußte ihr Fuß an drei Stellen genäht werden, doch wurde keine Infektion festgestellt. Als er dem Krankenhauspersonal und den Polizisten von dem Wolf erzählte, verhielten sie sich irgendwie eigenartig, wie er meinte. Er hatte den Eindruck gehabt, als wollte man einen Imageschaden für ein Touristengebiet vermeiden, indem man seine und Svenjas Erzählung von dem Wolf abwiegelte und behauptete, daß es sicher ein streunender Hund war, von denen es dort viele gibt. Die Polizisten hatten gemeint, daß die beiden, in ihrer Angst, das Tier größer und bedrohlicher gesehen hätten, als es in Wirklichkeit war. Allerdings konnten beide spüren, daß die Leute dort ein schlechtes Gefühl hatten wegen dem Vorfall. .... Nach ihrer Rückkehr fing Svenja an sich zu verändern. Sie wurde hellhörig und roch Dinge, die er selber erst später wahrnahm, viel später. Auch war sie oft gereizt und brauste gegenüber anderen auf, ein Verhalten, das er vorher nie bei ihr beobachten konnte. Und nun saß er hier am Duisburger Innenhafen und wartete auf eine sich sehr verspätende Svenja. Auch eine neue Erfahrung im Zusammenhang mit ihr. Was war bloß mit ihr los, dachte er bei sich. Er fragte sich, ob all das etwas mit dem Wolfserlebnis zu tun haben könnte: Immerhin war es ja ein traumatisches Erlebnis. Besonders für sie, wo sie doch so eine schlimme Verletzung davongetragen hatte. „Bekommen sie noch etwas“, fragte ihn eine weibliche Stimme in freundlichem Ton. Es war die Tischbedienung, die ihn soeben aus seinen Gedanken riß. Michael verneinte und bat zahlen zu dürfen. Er mußte los. Er mußte zu Svenjas Wohnung fahren und nachschauen, ob mit ihr alles in Ordnung war. Es war mittlerweile 21:05 und der Mond stand hell am Himmel. Michael nahm zur Kenntnis, daß es Vollmond war und eigentlich müßte er jetzt mit Svenja zusammen dessen Anblick genießen. Doch für romantische Gedanken hatte er jetzt keine Zeit. Er packte seinen Wagenschlüssel und verließ das Restaurant. Als er mit dem Wagen in die Grabenstraße einbog, wo Svenja wohnte, hatte er plötzlich ein sehr unbehagliches Gefühl. Er wurde immer unruhiger. Als er schließlich vor Svenjas Wohnungstüre stand und aufschließen wollte, stellte er fest, daß sie offen war, was seine Unruhe noch steigerte. Bedächtig und mit pochendem Herzen trat er ein. „Svenja?“ rief er leise und war sich gar nicht im klaren darüber, was er eigentlich erwartete, eine Antwort, überhaupt irgendeine Reaktion? Nichts, keine Antwort, dafür aber ein Anblick, der ihn nun fast um den Verstand brachte. Die Wohnung sah aus, als hätte ein Kampf auf Leben und Tod stattgefunden. Glas knirschte unter seinen Schuhen, als er mit langsamen Schritten ins Wohnzimmer kam. Was zum Henker war hier passiert, fragte er sich in äußerster Besorgnis. Im spärlichen Schein der Standlampe, deren Schirm total zerbeult war, erblickte er plötzlich etwas zwischen den Scherben der zerbrochenen Couchtischscheibe, etwas, das an einem anderen Platz als Svenjas Körper nicht vorstellbar war, da sie es niemals ablegte, ihr silbernes Kruzifix. Die Kette war zerrissen und lag eine Handbreit daneben. Gerade als er sich danach bückte, ertönte eine weibliche Stimme aus Richtung der Wohnungstüre, und der Lichtkegel einer Handlampe tastete sich über am Boden liegende Gegenstände an ihn heran, um dann an seinem Gesicht haften zu bleiben. „Wer sind sie? Was machen sie da ?“ Michael zuckte zusammen, da die Stimme nicht nur unerwartet ertönte, sondern auch sehr streng klang. Tausend Gedanken jagten wild durch seinen Kopf. Er kam sich so hilflos vor in diesem Augenblick und so verzweifelt. Die Frau mit der Handlampe kam auf ihn zu. Hinter ihr nahm Michael noch eine weitere Person wahr, die ebenfalls ins Wohnungsinnere schritt. „Ich...ich wollte zu meiner Freundin, Svenja, sie wohnt hier. Wer...wer sind sie?” fragte er mit unsicherer Stimme, kniff dabei die Augen zusammen und versuchte zusätzlich sie dadurch vor dem blendenden Lichtkegel zu schützen, indem er seine rechte Hand vors Gesicht hielt. „Polizei!” antwortete die Frau, die nun vor ihm stand und die Lampe von ihm abwandte, so daß er nun die Uniformen sehen konnte. „Wir wurden von anderen Mietern dieses Hauses gerufen, die sich über Randale und Schreie beschwerten, die aus dieser Wohnung kamen. Und wies hier aussieht war dies nicht unbegründet. „Während die Polizistin mit Michael sprach, nahm ihr Kollege die Räume der Wohnung in Augenschein. „Wir waren verabredet und ... sie kam nicht. Da machte ich mir große Sorgen, da sie mich noch nie versetzt hat und weil ich sie auch nicht über Handy erreichen konnte.” Michael spürte plötzlich, daß er nun höllische Angst um Svenja hatte, während er dies sagte. „Haben sie eine Ahnung was hier passiert sein könnte?” fragte ihn die Polizistin. „Nein”, antwortete er, „ich habe nicht die geringste Ahnung, aber ich habe wahnsinnige Angst um sie. Ich meine, ich bekam vorhin fast einen Schock, als ich das hier sah.” „Es ist niemand sonst in der Wohnung”, meinte der Polizist zu seiner Kollegin, als er zu den beiden hinzutrat. „Aber ich fand etwas im Schlafzimmer.“ Der Polizist gab seiner Kollegin mit einer Kopfbewegung zu verstehen, daß er ihr etwas zeigen wolle. „Kommen sie mit”, meinte sie zu Michael, der ebenso willig wie besorgt folgte. Im Schlafzimmer sah es fast noch schlimmer aus, aber das schlimmste waren die Anziehsachen, die total zerfetzt auf dem Boden lagen, auf den Scherben des Schlafzimmerschrankspiegels. „OK, ich brauche Namen und Daten zur Person ihrer Freundin”, sagte die Polizistin und griff zu ihrem Funkgerät, um die Zentrale zu benachrichtigen. Michael merkte, wie ihm die Knie weich wurden, doch er durfte jetzt nicht schwach werden. Svenja...was war bloß mit ihr passiert, dachte er, während er mit feuchten Augen auf ihr Kruzifix schaute..... *.... Die Gruppe Jugendlicher verließ das XXL, in dem eine große Halloweenparty stattfand. Thorsten, Carlos und Mark hatten zwar alle schon mehr oder weniger etwas zu tief ins Glas geschaut, aber trotzdem wollten sie jetzt ihren Plan in die Tat umsetzen, denn darauf hatten sie sich schon seit Tagen gefreut. Sie wollten ihren Freundinnen einmal ein richtiges Halloween-Gruselerlebnis bescheren. Carlos erzählte von einem angeblich vergessenen Friedhof, der in der Nähe der Haltestelle Kesselsberg liegen solle und der dermaßen verwittert und zugewuchert sein soll, daß er gar nicht mehr wahrgenommen würde. Da sie alle schon getrunken hatten, machten sie sich also zu Fuß auf den Weg. Claudia, Nicole und Jessica waren zwar sehr neugierig, aber als sie aus dem XXL heraustraten, da waren sie nicht mehr ganz so begeistert, denn es war sehr kalt an diesem 31.Oktober und die dunklen Wolken, die sich vor den Vollmond schoben, verliehen diesem eine unheimliche Wirkung. „Das wäre ein idealer Nachthimmel für einen Werwolf- oder Vampirfilm”, meinte Thorsten und schnitt eine Grimasse die unheimlich wirken sollte. „Ich hoffe es lohnt sich wenigstens und wir bekommen auch was interessantes zu sehen”, sagte Jessica und das verziehen ihres Mundes verriet, daß sie davon alles andere als überzeugt war. Jessica war, im Gegensatz zu Claudia und Nicole, nicht begeistert gewesen von der Idee: zu nächtlicher Stunde durch die Kälte zu latschen, nur um sich ein bißchen zu gruseln. Sie hatte sich dann aber der Mehrheit gebeugt. So setzten sie sich also in Bewegung und gingen die Anger entlang Richtung Heidberg. Die Dunkelheit wurde nur spärlich vom Licht der Straßenlaternen unterbrochen, das eher schwach durchs Dickicht schien, welches die Straße vom Fußgängerweg am Angerbach trennt. Bei der Dunkelheit wird man einen Hundehaufen nicht rechtzeitig sehen können und ihn erst bemerken, wenn man reingetreten ist, dachte Jessica bei sich. Thorsten hatte den Arm um Nicoles Hüfte gelegt und sie ihren um seine. Carlos hielt Claudia von hinten umklammert und tat so, als würde er sie vor sich herschieben. Mark und Jessica gingen nebeneinander her. Während Thorsten und Nicole, genauso wie Carlos und Claudia, miteinander gingen, waren Mark und Jessica „Opfer” einer Verkuppelungsaktion ihrer Freunde bzw. Freundinnen geworden. Nicht, daß sie sich etwa unsympathisch gewesen wären, doch waren sie sich heute zum ersten mal begegnet und die Situation war etwas unangenehm für beide. Und Jessicas Gesichtsausdruck förderte in Mark nicht gerade das Aufkommen von Mut, um Jessicas Hand zu ergreifen, was er doch so gerne getan hätte. Er konnte nicht wissen, daß sie gerade darauf wartete. Wovon Thorsten und Carlos zu viel besaßen, davon besaß Mark eine Portion zu wenig: Selbstvertrauen. Sie waren erst fünf Minuten unterwegs, da ertönte ein lautes Knurren aus dem Dickicht zwischen ihnen und der Straße. Jessica und Mark nahmen es als erste wahr, blieben abrupt stehen und schauten nach rechts in das Dunkel zwischen dem Dickicht. Als das Knurren noch lauter und bedrohlicher wurde und es im Geäst zu knacken begann, nahmen es schließlich auch die anderen wahr. Gerade noch herumalbernd, schauten sie nun wie gebannt ebenfalls ins Dunkel des Dickichts, in dem jetzt deutlich die Konturen einer Gestalt zu erkennen waren, die sich neben ihnen durch das Geäst arbeitete. Dampf stieß aus dem Dickicht in ihre Richtung, wie vom warmen Atem eines großen Tieres. Just in diesem Augenblick kam ein Auto auf der Straße angefahren. Für einen kurzen Augenblick entrissen die Lichtkegel der Autoscheinwerfer die Gestalt der Dunkelheit. Was die Sechs dann erblickten, ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren und der Adrenalinstoß hob augenblicklich jede Alkoholeinwirkung auf. Eine riesige wolfsähnliche Kreatur warf den Blick in Richtung des nun herangenahten Autos, dessen Scheinwerfer die Augen der Kreatur gefährlich aufleuchten ließen, um dann sofort wieder den Kopf herumzureißen, in Richtung der Sechs. Das Auto fuhr vorbei und schlagartig hüllte wieder Dunkelheit das Wesen ein. Und noch bevor die Sechs überhaupt reagieren konnten, brach die Kreatur mit lautem Knurren, das in ein Brüllen überging, aus dem Dickicht hervor auf den Weg und fiel sie sofort an. Die Luft war erfüllt von menschlichen Schreien und tierischem Brüllen. Nicole hatte keine Chance. Die Kreatur, die in etwa aussah wie ein Wolf mit menschlichen Ausmaßen, packte sie mit der Schnauze zwischen Hals und linker Schulter und schleuderte sie mit heftigen Kopfbewegungen zu Boden. Nicole blieb regungslos und tödlich verwundet liegen und die Kreatur wendete sich sofort ihrem nächsten Opfer zu, Thorsten, der wie gelähmt da stand und die Kreatur anstarrte, wie sie seine Freundin anfiel. Claudia schrie wie von Sinnen, „wir müssen hier weg, schnell, dieses Vieh wird uns sonst alle töten”. Jessica stöhnte nur vor Entsetzen, während Mark im Geäst nach etwas zum schlagen suchte und Carlos zurief, „such irgendwas zum draufschlagen, sonst haben wir keine Chance”. Carlos löste sich aus seiner Erstarrung, ließ Claudia los und fing ebenfalls hektisch an zu suchen, als Mark auch schon etwas gefunden hatte. Mit dem Ast einer Eiche in der Hand trat er nun der wolfsähnlichen Kreatur entgegen, als diese sich gerade von Thorsten abwendete, der, sich in seinem Blute windend, ebenfalls am Boden lag. Auch Carlos hatte nun einen Knüppel in der Hand und trat seitlich an die Kreatur heran, die gerade Mark anfallen wollte, der den Angriff in Kampfhaltung erwartete. Carlos traf die Kreatur mit einem wuchtigen Schlag am Kopf. Der Schlag war dermaßen heftig, daß der Ast brach mit dem er zugeschlagen hatte. Mark wollte gerade zuschlagen, da machte die Kreatur einen wuchtigen Satz und schnappte sich Claudia, die gerade versuchte durch das Dickicht auf die Straße zu laufen, wobei sie hysterisch um Hilfe schrie. Die Kreatur erwischte sie und schleuderte sie zurück, dermaßen, daß sie über den Weg flog, in die Dunkelheit der Böschung am Angerbach. Sofort hechtete die Kreatur nach und schnappte sich dabei Carlos, den sie mitriß ins Dunkel der Böschung, aus dem jetzt nur noch das Knacken von Ästen, Hilfeschreie und das Knurren und Bellen der Kreatur zu vernehmen war. In dieser Sekunde realisierte Mark, daß er und Jessica die Nächsten waren, wenn sie nicht sofort verschwanden. „Wir müssen weg, abhauen, sofort”, sagte er und zog Jessica auch schon heftig hinter sich her. „Wir können die anderen doch nicht einfach im Stich lassen”, meinte Jessica mit bebender Stimme, während sie von Mark durch das Dickicht auf die Straße gezogen wurde. „Du hast es doch gerade erlebt. Was auch immer das da ist, es hat Wahnsinnskräfte. Wir haben keine Chance. Spar jetzt Deinen Atem und renn”, erwiderte Mark und zog sie nun noch stärker hinter sich her. Während sie auf der Straße zurück in Richtung XXL liefen, bemerkten sie, daß die Schreie verstummt waren. „Oh mein Gott! Wir schaffens nicht”, schrie Jessica schon völlig außer Atem. „Es wird jeden Augenblick bei uns sein.” In diesem Augenblick näherte sich ihnen ein Auto von hinten. Die beiden stellten sich so auf die Straße, daß es keine Möglichkeit für den Fahrer gab an ihnen vorbeizufahren und gestikulierten wild mit den Armen, während sie um Hilfe riefen. Als das Fahrzeug sie erreicht hatte, verringerte der Fahrer das Tempo und stoppte schließlich, als er merkte, daß die beiden nicht zur Seite gehen würden. Er öffnete das Fenster und Jessica trat zu ihm, während Mark vor dem Wagen stehen blieb. Der Fahrer blickte in ein völlig verängstigtes Gesicht. Es war ihm sofort klar, daß sie etwas sehr schlimmes erlebt haben mußten. „Bitte, sie müßen uns mitnehmen, zur Polizei, aber laßen sie uns schnell einsteigen und fahren sie so schnell wie möglich los, bitte.” Die Angst und das Entsetzen in den Gesichtern konnte nicht gespielt sein, dies merkte der Fahrer sofort. Und so sagte er, mit einer entsprechenden Kopfbewegung, „dann los, steigt ein”. Sofort waren die beiden im Wagen verschwunden. „Fahren sie los, schnell, schnell, los”, sagte Mark mit verzweifelt bittendem Tonfall. „Was ist denn bloß passiert?” fragte der Fahrer, während er anfuhr. .... *.... Auf dem Duisburger Polizeipräsidium herrschte totale Hektik, nachdem dort nun schon mehrere Meldungen über eine wolfsähnliche Kreatur eingegangen waren, die Menschen anfiel und tötete. Die ersten Opfer waren einige Passanten in einer U-Bahnstation in der Innenstadt, dort gab es drei Tote. Kurz darauf gab es das nächste Opfer, ein Jogger wurde im Stadtpark getötet. Dann eine Gruppe Passanten, die gerade eine Gaststätte in Neudorf verlassen hatte, wo es vier Tote gab. Dann wurde eine Halloweenparty in einer Kleingartenanlage in Wedau von der Kreatur heimgesucht, wo sie sieben Personen tötete. Und nun kamen diese Jugendlichen und erzählten, daß sie ebenfalls von der Kreatur überfallen worden waren, und daß ihre Freunde von ihr getötet worden seien. Kriminalhauptkommissarin Delia Kamm hatte soetwas noch nie erlebt. Und sie hatte wirklich schon einiges mitgemacht, seit sie sich zur Polizei gemeldet hatte. Als leitende Beamtin war sie nun stark gefordert, doch Herausforderungen hatte sie immer schon geliebt. Darum warf sie seinerzeit auch ihre Stelle bei Mannesmann hin und ging zur Polizei, weil sie sich in einer vorgegebenen Schablone nicht wohlfühlte, wie sie es nannte, sondern einen Beruf wollte, in dem sie ihre Talente, ihre Kämpfernatur und ihre Intelligenz frei entfalten konnte. In dieser Nacht waren sämtliche verfügbaren Kräfte im Einsatz. Es herrschte eine Art Ausnahmezustand. Man machte Jagd auf etwas, aber man wußte nicht was man eigentlich genau jagte. Fest stand nur eines, es mußte ein sehr großes und sehr kräftiges Tier sein, vielleicht ein Bär. Man kontaktierte alle Zoos und Freigehege in der näheren Umgebung, ob irgendwo ein Raubtier entflohen sein konnte. Doch nirgendwo fehlte ein Tier. In dieser Nacht herrschte mehr Betriebsamkeit, als am ereignisreichsten Tage. Kreuz und quer jagten Blaulichter und Martinshörner durch die Stadt. „Das ist ja fast wie in New York“, meinte Kriminaloberkommissar Dirk Heinze zu der Streifenbeamtin, die gerade mit ihrem Kollegen und einem jungen Mann herein kam. „Ja, kommt einem fast so vor“, antwortete sie im vorübergehen. Nachdem sie mit ihrem Kollegen Delia Kamm Bericht erstattet hatte und sie und ihren Kollegen Heinze dann mit Michael allein im Raum zurückließ, erzählte dieser ihnen die ganze Geschichte. Doch der sich aufdrängende Rückschluss daraus, erschien Delia Kamm einfach zu fantastisch. Nein, sie mußte jetzt einen kühlen Kopf bewahren und schön nüchtern, sachlich bleiben. Zufall, einfach Zufall, dachte sie sich. Mag sein, daß seine Freundin sich eine Infektion durch ein tollwütiges wildes Tier eingefangen hatte, aber es steht sicher nicht in Zusammenhang mit … Sie biss sich auf die Unterlippe. Der Bericht der Streifenbeamten und die Schilderungen des jungen Mannes wiesen eine Auffälligkeit auf, die man nicht ignorieren durfte. Und im übrigen machte der junge Mann einen vernünftigen und seriösen, glaubwürdigen Eindruck, wenngleich er auch etwas verstört wirkte, aufgrund des Verschwindens seiner Freundin unter sehr mysteriösen Umständen. Nein, sie wollte diese merkwürdige Geschichte nicht einfach aus den Überfällen der Kreatur ausschließen. Sie war verpflichtet jede Möglichkeit in Betracht zu ziehen. „Dirk, setze dich doch bitte mal mit den spanischen Kollegen in jener Gegend in Verbindung, wo die beiden das Erlebnis hatten und frage sie, ob sie dort ähnliche Vorkommnisse haben oder hatten, wie wir hier heute Nacht. Und laß bitte keinen Zweifel daran aufkommen, wie dringend wichtig für uns die Sache ist. Außerdem soll jemand Staatsanwaltschaft und Innenministerium in Kenntnis setzen über den Sachverhalt… Ach nein, das mach ich selber. Interpol und Guardia Civil kannst du aber noch kontaktieren. Na, heute Nacht kannst du aber kräftig an deinem Spanisch feilen.“ Kamm grinste ihren Kollegen an und wendete sich dann wieder Michael zu. „Na endlich macht sich mein Spanischunterricht mal bezahlt“, feixte Heinze und verließ den Raum. „Ich kann sie nach Hause fahren, wenn sie möchten“, wandte sich Kamm wieder Michael zu. „Sie sehen sehr mitgenommen aus“, fügte sie noch hinzu. „Nein...nein, danke, nicht nötig. Ich bin mit meinem eigenen Wagen hier. Bin ihren Kollegen vorhin hinterhergefahren. Kann ich dann gehen?“ fragte er, nachdem er sich erhoben hatte. „Natürlich. Es wäre aber gut, wenn sie sich zur Verfügung hielten, falls Fragen auftauchen, speziell in Bezug auf die Spanien-Geschichte.“ Michael hielt Kamm sein Handy entgegen und wirkte dabei kraftlos, als könne er es kaum halten. „Unter meiner Handy-Nummer bin ich immer erreichbar, Tag und Nacht.“ Als er gegangen war, schaute Kamm ihm noch einen Augenblick nachdenklich hinterher. Das alles, die Ereignisse, sowie die Geschichte dieses jungen Mannes, das war schon etwas verrückt. Kaum zu glauben...und doch real..... *.... Marvin und Stefan waren eifrige Graffiti-Sprayer und für heute, für Halloween, hatten sie sich was besonderes einfallen lassen, sie sprühten mit Halloweenmasken und nur Halloweenmotive. Gerade waren sie dabei, die frisch renovierte S-Bahnhaltestelle Kesselsberg mit ihrer „Kunst“ zu „verzieren“. So viele neue, saubere, freie Flächen, da ging ihnen das Herz über. Der besondere Kick dabei war, daß sie damit rechnen mußten, daß die DVG mit Sprayern an der renovierten Haltestelle rechnete und darum diese besonders überwachte. Was andere vielleicht abgeschreckt hätte, das war für die beiden aber erst der Reiz an der Sache. Marvin nahm sich die eine Seite vor, während Stefan auf der anderen Seite zu Gange war. Es war saukalt, aber die beiden hatten sich warm angezogen. Nur die Hände waren blank, weil sie mit Handschuhen nicht gut sprayen konnten. So machte Marvin immer wieder mal eine kurze Pause, in der er die Spraydose abstellte und die Hände in die Hosentaschen steckte, um sie so aufzuwärmen. Gerade als er wieder mal die Hände so aufwärmte und er sich kurz umdrehte, um zu schauen, wie weit Stefan schon gekommen sei, da vernahm er ein Geräusch, das ihm einen Schauer über den Rücken jagte. Es kam von drüben, von Stefans Seite. Es war ein extrem tiefes, bedrohliches Knurren, eines, wie er es noch nie zuvor gehört hatte. Auch Stefan schien es gehört zu haben, denn auch er stoppte jäh in seiner Sprüherei, schob seine Maske hoch und schaute mit fragendem Blick zu ihm herüber. Marvin zuckte mit den Schultern, da ertönte das Knurren wieder, diesmal lauter und noch bedrohlicher. Das ist kein Scherz von irgendeinem Witzbold, denn dazu klang es zu echt, dachte Marvin. Dann nahm er drüben etwas wahr, rechts von Stefan, da wo der Aufgang war. Er deute mit dem Kopf in jene Richtung, um Stefan darauf aufmerksam zu machen. Doch der schien es ebenfalls schon bemerkt zu haben. Es war Dampf, wie er entsteht, wenn ein Mensch, oder eher noch ein sehr großes Tier, angestrengt in kalte Luft haucht. Ein herrenloser Kampfhund, schoß es Marvin durch den Kopf. Gerade als er seinen Blick wieder auf Stefan richtete, ließ dieser plötzlich seine Sprühdose fallen und blickte, starr vor Angst, in die Richtung, aus der das Knurren kam. Marvin konnte aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnehmen und schaute sofort nach rechts und ...auch er erstarrte vor Schreck. Ein Tier, groß wie ein Mensch, ging gerade in Lauerstellung und fixierte Stefan, der wie angewurzelt dastand, nicht fähig irgendeiner Bewegung. Marvin zog seine Hände aus den Hosentaschen und wußte gleich, daß dies ein Fehler war, denn sofort schnellte der Kopf des Tieres in seine Richtung und Marvin schaute auf zwei gefährlich rot funkelnde Augen, die ihn für einen Moment fixierten. Ein Kampfhund war das nicht, das war Marvin klar. Eine solche Kreatur hatte er noch nie zuvor gesehen. Sie sah aus, wie eine Kreuzung zwischen einem großen Hund, oder eher einem Wolf, einer Hyäne und einem Geparden, wobei das Wolfsmäßige dominierte. Doch Größe und aggressive Ausstrahlung paßten zu keinem jener Tiere. Die Ausstrahlung dieser Kreatur erinnerte Marvin an den Film Alien. Das tiefe Knurren wurde lauter und der Atem der Kreatur erzeugte ganze Dampfwolken. Plötzlich rannte Stefan los, auf das Dunkel der Haltestellenausfahrt zu. Sofort riß das Tier den Kopf herum und hechtete mit kraftvollen Bewegungen hinter ihm her. Oh Gott, schoß es Marvin durch den Kopf, das schafft Stefan niemals. Marvin war klar, daß diese Kreatur viel schneller war als sie. An der Haltestellenausfahrt sprang Stefan seitlich ins Dunkle hinab. Die Kreatur setzte mit extrem lautem Knurren und einer Art grausamem Bellen nach. Marvin schoßen tausend Gedanken durch den Kopf. Er mußte weg, flüchten, sich in Sicherheit bringen, jetzt. Wenn er jetzt nicht flüchtete, dann könnte ihn das das Leben kosten. Stefan helfen, das konnte er sowieso nicht, aber vielleicht hatte er es ja auch geschafft. Ein Fauchen, Knurren und dieses grausam klingende Bellen rißen ihn aus seinen Überlegungen, gefolgt von dem markerschütternden Schreien eines Menschen, Stefans Schreien. Das Bellen des Tieres wurde extremer, während Stefans Schreie schwächer wurden und dann ganz erstarben. Marvins Herz krampfte sich zusammen, und schlagartig machte ihm die plötzlich eintretende Stille klar, daß er sofort weg mußte, er mußte schnellstens flüchten. Der Blick der Kreatur, kurz zuvor, ließ keinen Zweifel beim ihm daran aufkommen, daß sie ihn nicht vergessen würde. Die Lähmung, die durch Todesangst sich seiner Beine bemächtigt hatte, gab diese erst nur langsam frei, doch dann immer mehr. Das Herz klopfte Marvin bis an die Schädeldecke, es hämmerte wild in seiner Brust. Wie hatten er und Stefan kurz zuvor noch über die vielen Streifenwagen geschimpft, die wie wild mit Sirenen und Blaulicht durch die Gegend fuhren. Sie hatten sie verwünscht, weil sie ihre „Unternehmung“ gefährdet sahen. Doch jetzt wünschte er sich so sehnlich, daß sie hierher kämen. Noch nie hatte er sich so nach einem Polizeifahrzeug gesehnt, wie in diesem Augenblick. Eine letzte Treppe und er war unten. Doch gerade als er unten ankam und auf den Ausgang zurannte, er wollte sich ins Hotel Landhaus Milser flüchten, da erschien die Kreatur im Ausgang. Mit blutverschmiertem Maul bewegte sie sich auf ihn zu und knurrte laut dabei. Marvin verlor jede Hoffnung und seine Knie wurden weich. Seine Beine drohten ihm wegzusacken. Seine Todesschreie, die kurz darauf aus der Haltestelle nach draußen drangen, hörte niemand..... *.... Michael saß seit einer Stunde in seinem Wagen vor dem Polizeipräsidium und grübelte vor sich hin. Er konnte das alles nicht verarbeiten. Immer wieder fuhr er sich mit den Händen durchs Haar und seufzte schwer dabei auf. Die Sorge um Svenja machte ihn fast verrückt. Konnte das alles in Zusammenhang stehen, das Erlebnis in Spanien, Svenjas übersteigerte Sinne, ihre verlassene und demolierte Wohnung, sowie die schrecklichen, außergewöhnlichen Ereignisse dieser Nacht? Die Logik legte dies nahe, doch der Verstand wehrte sich dagegen, das zu glauben. Denn im Endeffekt würde dies ja bedeuten, daß es hier um so etwas wie Werwölfe ging und sowas gab es nur im Film, nicht in der Realität. Dennoch war das alles schon sehr mysteriös. Plötzlich schoß ihm der Gedanke durch den Kopf, wenn es nun doch so war, wenn Svenja doch irgendwie zu jener Kreatur wurde und nun... Die Polizei würde sie erschießen, weil sie, sie einfach für eine Art tollwütiges Tier hielten. Natürlich war das alles Quatsch und hatte sicherlich ganz andere Hintergründe, aber dennoch trieb ihn irgendetwas dazu, diesen Quatsch für möglich zu halten. Es war seine innere Stimme und die hatte ihn bisher noch nie getäuscht. Schließlich zog er kurz entschlossen den Zündschlüssel ab, stieg aus dem Wagen und schloß die Tür. Tief atmete er die kalte Nachtluft ein und ging dann wieder auf den Eingang des Polizeipräsidiums zu. .... *.... Delia Kamm hatte gerade ein Gespräch mit dem Innenminister in Düsseldorf beendet und den Hörer aufgelegt, als ihr Kollege Heinze in den Raum gestürzt kam. „Du wirst es nicht glauben, Delia“, stieß er leicht erregt aus. Kamm schaute ihn verdutzt und fragend an. „Die Kollegen von der Guardia Civil haben, als sie die Sachlage erfuhren, mit ihrem Innenministerium Rücksprache gehalten. Und jetzt gerade kam dieses Fax aus Madrid an.“ Heinze knallte zwei DIN A4-Seiten auf Kamm‘s Schreibtisch. Kamm nahm die Blätter zur Hand. -TOP SECRET- stand in dicken Lettern ganz oben. Aus dem in Englisch verfassten Text ging hervor, daß es im Norden Spaniens, in den siebziger Jahren, mehrfach zu solchen Fällen kam, wie sie ihn jetzt hier in Duisburg hatten. Personen, die zuvor von einem wolfsähnlichen, wilden Tier gebissen wurden, mutierten plötzlich in einer Vollmondnacht und wurden selber zu einer solchen Kreatur. Es dauerte allerdings eine längere Zeit bis dies so von den Behörden realisiert wurde. Am Ende dieser Nächte nahmen die betroffenen Personen wieder ihre normale Gestalt an und konnten sich an nichts erinnern. Die Verwandlungen vollzogen sich an jedem Vollmond aufs neue. Das spanische Seuchenamt gab diesem Phänomen den Namen Werwolfsyndrom. Aus Rücksicht auf die Tourismusbranche wurde alles unter größter Geheimhaltung gehandhabt. Als es größeren Polizeieinheiten eines Nachts gelang eine mutierte Person zu stellen, wurde diese zwar angeschossen, konnte aber dennoch entkommen. Es blieben aber Blutspuren von ihr zurück, die kleine Proben ermöglichten. Die Proben wurden nun mit denen verglichen, die man bereits einigen Opfern entnommen hatte. Dann stand fest, daß es sich um einen Virus handelte, der die Mutation bewirkte. Während in den folgenden Jahren, die Polizei ihre Präsenz in Vollmondnächten verdoppelte, arbeitete man fieberhaft an einem Gegenmittel. Auch wenn es erst 1998 gelang ein solches Gegenmittel zu entwickeln, so kam es zwischenzeitlich dennoch zu keiner Epidemie. Ab dem Jahr 2005 gab es dann keinen Vorfall mehr, sodaß, das Virus als ausgemerzt galt. Der Impfstoff jedoch wurde eingelagert für den Eventualfall. Erst durch die Anfrage der Duisburger Polizei erhielten das spanische Seuchenamt und die Guardia Civil Kenntnis von dem neuerlichen Fall, der von dem örtlichen Polizeichef nicht weitergeleitet worden war, und der nun das Problem nicht nur wieder in Erscheinung treten ließ, sondern auch noch in ein weiteres Land trug. Sofort wurde mit dem Bundesseuchenamt Kontakt aufgenommen. Impfstoff wurde in eine Sondermaschine der spanischen Luftwaffe gepackt, die sich nun im Anflug auf den Flughafen Düsseldorf befand. Ein Beamter der Guardia Civil und einer des spanischen Seuchenamtes waren mit an Bord der Maschine. „Ich fass es nicht“, entfuhr es Kamm. „Ich tu mich auch schwer damit“, erwiderte Heinze. „Eigentlich wollte ich heute mit meiner Frau und den Kindern einen gemütlichen Halloween-Videoabend machen. Und, du wirst lachen, ich habe in der Videothek auch zwei Werwolffilme ausgeliehen. Wenn das keine Realsatire ist.“ „Jetzt fang bloß nicht an von Werwölfen zu reden“, erwiderte Kamm und blies sich eine Strähne ihres blonden Haares aus der Stirn. „Und überhaupt, Halloween, vor zehn Jahren kannte das noch kaum einer und jetzt tun alle so, als ob das eine uralte Tradition bei uns sei. Dabei wissen die meisten in Deutschland ja nicht mal woher es eigentlich kommt und um was genau es da eigentlich geht. Kennst Du zum Beispiel die Hintergründe von Halloween?“ Gerade als Heinze zu einer Erwiderung ansetzen wollte wurde die Tür geöffnet und Michael trat ein. Kamm und Heinze starrten ihn verwundert an. „Haben sie etwas vergessen?“ fragte ihn Kamm. „Ich habe nachgedacht“, begann Michael seine Antwort. „Ich möchte unbedingt heute Nacht hier bleiben. Ich würde zu Hause verrückt werden. Sie können sich nicht vorstellen wie sehr ich Svenja liebe; sie ist mein Leben, mein ein und alles.“ Heinze ging auf ihn zu. „Wie stellen sie sich das vor? Das geht nicht. Ich kann sie ja verstehen, aber ...“ Kamm, die hinzugetreten war, unterbrach Heinze mit einer Handbewegung. „Was versprechen sie sich davon, wenn sie hier bleiben könnten heute Nacht?“ wandte sie sich an Michael. „Es würde mir etwas Halt geben und außerdem habe ich das Gefühl, daß ich irgendwie noch helfen könnte.“ Kamm wechselte einen kurzen Blick mit Heinze. „OK, sie dürfen bleiben und uns nach Düsseldorf begleiten.“ Heinze riß die Augenbrauen hoch. „Was soll das denn jetzt? Das ist doch nicht dein Ernst“, protestierte er. „Bevor du mir dieses Fax auf den Tisch geknallt hast, wäre meine Entscheidung sicherlich anders ausgefallen; doch jetzt ist eben alles anders. Ich möchte darüber jetzt auch nicht diskutieren.“ Damit war für Kamm das Thema beendet. Eine Stunde später standen sie mit zwei Beamten des Bundesseuchenamtes und mehreren uniformierten Polizeibeamten auf dem Düsseldorfer Flughafen und blickten den beiden Personen entgegen, die soeben der spanischen Sondermaschine entstiegen waren. „Guten Tag!“, sagte einer der beiden mit starkem spanischem Akzent. Und auch der andere grüßte auf Deutsch, ebenfalls mit Akzent. Nach Erwiderung der Begrüßung und einem „Willkommen in Deutschland!“, ergriff wieder einer der Spanier das Wort. „Ich bin Capitan Juan Lopez von der Guardia Civil. Und das hier ist Senor Eduardo Diaz vom spanischen Seuchenamt“, fügte er lächelnd hinzu.“ Er deutete auf seinen Begleiter, der ebenfalls freundlich lächelnd die ausgestreckten Hände schüttelte. Nachdem Kamm sich und die anderen vorgestellt hatte, verließen sie den Flughafen und fuhren zum Duisburger Polizeipräsidium zurück, wo inzwischen der Oberbürgermeister und der Polizeipräsident eine nächtliche Dringlichkeitskonferenz abhielten. Kamm erstattete dem Polizeipräsidenten und dem Oberbürgermeister einen kurzen Bericht und stellte die spanischen Gäste vor, die ihrerseits einen kurzen Vortrag hielten, über die Geschehnisse in Spanien, der sich inhaltlich mit den Ausführungen in dem Fax deckte, nur etwas detaillierter war. Diaz öffnete einen von vier großen, silberfarbenen Aluminium-Koffern und präsentierte einige Impfkartuschen, zu denen er einige Erklärungen abgab. „Die Impfung mit diesem Serum ist hundertprozentig wirkungsvoll; sowohl vor der Umwandlungsphase, als auch danach. Leider ist es uns nie gelungen einer betroffenen Person während des Werwolfsyndroms eine Injektion zu verabreichen. Wurde eine Person in dieser Phase von Polizeikräften gestellt, dann wurde versucht die Kreatur irgendwie festzusetzen, was aber so gut wie nie gelang. Darum mußte meistens zur Eliminierung gegriffen werden, die aber auch nicht immer gelang. Personen während dieses Werwolfsyndroms sind extrem gefährlich. Sie sind absolut aggressiv und entwickeln unvorstellbare Kräfte. Zudem können sie sich dermaßen schnell bewegen, daß selbst geübte Scharfschützen unserer Polizei immer wieder ihr Ziel verfehlten. Es ist nämlich absolut notwendig die Kreatur ins Herz zu treffen, da nur und ausschließlich ein Herzschuss sie töten kann. So hart es klingen mag, aber zur Eliminierung gibt es so gut wie keine Alternative, wenn so eine Kreatur gestellt wird. Entwischt sie, wird sie weitere Menschen töten, oder verletzen und damit infizieren. Verletzte gibt es aber nur sehr selten, da sie immer töten und nur widrige Umstände sie davon abhalten können. Nur wenn glückliche Umstände es erlauben, eine solche Kreatur irgendwie festzusetzen, bis zum Tagesanbruch, dann kann man ihr, nach der Rückumwandlung zur Person, eine Injektion verabreichen und sie somit heilen. Aber wie ich schon sagte, meist bleibt nur die Alternative der Eliminierung, so hart dies auch klingen mag.“ „Wenn es gelänge einer solchen Kreatur eine Injektion zu verabreichen, würde sie sich dann sofort Rückumwandeln?“, fragte Kamm. „Es ist uns zwar nie gelungen, aber unsere Wissenschaftler versicherten uns, daß dies eintreten würde. Zwar würde es nicht in einer Sekunde geschehen, aber doch unmittelbar.“ Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und ein uniformierter Polizeibeamter stürmte nach vorne. „Wir haben die Kreatur gestellt! Einer unserer Hubschrauber hat sie im Scheinwerferkegel und hat die Streifenwagen auf ihre Fährte gesetzt. Sie haben sie eingekreist, und von allen Richtungen bewegen sich unsere Einsatzfahrzeuge auf sie zu. Sie bewegt sich auf das Gelände von Logport zwo zu.“ Kamm warf Michael einen mitleidigen Blick zu. „Ich glaube es ist besser, wenn sie hier bleiben. Sie haben gehört, was der Herr aus Spanien uns soeben erklärt hat. Ich verspreche ihnen: ich werde mein möglichstes tun um eine Tötung zu vermeiden. Im übrigen wissen wir noch gar nicht, ob es sich auch tatsächlich um ihre Freundin Svenja handelt. Das ist mir irgendwie immer noch alles zu fantastisch.“ Michael sah sie aus rot unterlaufenen Augen an. „Neiiin! Ich muß mit. Bitte tun sie mir das nicht an. Bitte nicht!“ flehte Michael. „OK, aber sie halten sich zurück und tun nur was ich ihnen sage; was ich ihnen ausdrücklich erlaube“, sagte Kamm und legte Michael eine Hand auf die Schulter. Kurz darauf saßen sie im Auto: Kamm, Heinze, Michael und Lopez. Diaz war mit seinen Deutschen Kollegen vom Bundesseuchenamt im Präsidium geblieben. Michael saß hinten neben Lopez, der darüber aufgeklärt wurde wer Michael war und warum er Erlaubnis hatte mitzufahren. Als sie in Wanheim ankamen zuckte und flimmerte es nur so von dem Blaulicht der vielen Streifenwagen. Über Funk kam die Durchsage, daß die wolfsähnliche Kreatur soeben der Einkreisung auf dem Gelände von Logport II entkommen konnte und sich in einen Zulauftunnel am Angerbach geflüchtet hatte. Als sie dort ankamen, war die gesamte Umgebung eingetaucht in das flimmernde Blaulichtmeer. Polizei der Einsatzhundertschaft verteilte sich mit Gewehren und Lampen an beiden Ufern der Anger und zielte auf die von Scheinwerfen angestrahlte Tunnelöffnung. Über der Szenerie schwebte der Polizeihubschauber und suchte mit seinem Scheinwerfer das Gelände über dem Zulauftunnel ab. „Sie bleiben hier!“ sagte Kamm in bestimmendem Tonfall zu Michael. „Sie warten hier im Wagen.“ Michael folgte der Anweisung widerspruchslos nicht zuletzt auch darum, weil er von dieser etwas überrumpelt worden war; aber auch, weil der Blick Kamm´s keinen Widerspruch erlaubte. So blieb Michael allein im Wagen zurück, während die anderen sich zu den Einsatzkräften begaben. Er sah, wie sich Kamm vom Einsatzleiter der Hundertschaft Bericht erstatten ließ. Schließlich stiegen Kamm, Heinze und Lopez die Böschung hinab zum Angerbach; begleitet von Beamten der Einsatzhundertschaft. Plötzlich durchzuckte Michael ein Gedanke, wie ein Stromstoß: Svenja! Er mußte Svenja retten. Er traute den schwer bewaffneten Polizeikräften nicht. Die würden schießen, bevor noch die Chance bestand das Impfmittel einzusetzen. Er konnte und wollte nicht hier untätig warten; dazu war seine Liebe zu Svenja einfach zu groß. Er würde seines Lebens nicht mehr froh werden, wenn Svenja sterben würde und er eventuell mitschuld war, weil er nicht vor Ort dabei war. Risiko ? Lebensgefahr? Das war ihm gleichgültig, denn ohne Svenja würde er eh nicht mehr leben wollen, da es für ihn dann wertlos wäre. Vergessen war der strenge Blick Kamm‘s. Er riss entschlossen die Wagentür auf und stieg aus..... *.... Da einer der Streifenbeamten mit Sicherheit wußte, daß die Zulauftunnel nach ca. 100 Metern durch Stahlgitter blockiert sind, entschloss sich Kamm mit Heinze, Lopez und Leuten der Einsatzhundertschaft hineinzugehen. Von der Einsatzhundertschaft hatten sie Überziehhosen aus Gummi mit angeschweißten Gummistiefeln erhalten, wie sie auch Angler oder Kanalarbeiter benutzten. So schoben sie sich durchs hüfthohe Wasser in den von Handstrahlern wild ausgeleuchteten Zulauftunnel. Da sie gegen eine leichte Strömung angehen mußten, ging es nicht sehr schnell voran. In einiger Entfernung machte der Tunnel einen leichten Knick, sodaß das Stahlgitter noch außer Sichtweite lag. Das wilde Durcheinanderstrahlen vieler Handlampen verlieh der Szenerie etwas unheimlich Bizarres. „Haben sie das Betäubungsgewehr geladen?“ fragte Kamm Lopez, der zur Antwort nur nickte. Für ihn war das nichts Neues. Er war mehr als einmal in einer solchen Situation gewesen und wußte genau was zu tun war. Er wußte aber auch, daß es keine Garantie gab für einen Erfolg, und sie vielleicht gleich ein ohrenbetäubendes Geballere aus den vielen Polizeiwaffen erleben würden. Es hatte stets etwas beruhigendes von so stark bewaffneten Einsatzkräften begleitet zu sein. Dieses Gefühl verspürte er hier in Deutschland nun nicht weniger, als damals in Spanien. Sie kamen an eine Art hoher Stufe, die einen Wasserfall verursachte. Oberhalb der Stufe war das Wasser nur noch Kniehoch. Plötzlich vernahmen sie ein tiefes unheimliches Knurren, das sich unheimlich und unnatürlich anhörte. Lopez kannte das schon, und manchmal träumte er noch des Nachts davon. Wie naiv sie doch gewesen waren in Spanien zu glauben, daß dieses Phänomen bewältigt und aus der Welt geschafft sei. Lopez brach seine Überlegungen ab, da sie den Knickpunkt erreicht hatten. Schwer ging der Atem aller Beteiligten und die kalte Luft war erfüllt mit dem Dampf ihres Atems. „OK“, flüsterte Kamm, „wir werden jetzt langsam die Biegung paßieren. Dirk, du bleibst neben mir. Lopez, sie bleiben hinter uns und halten sich bereit zum Schuß. Falls ein zweiter Schuß notwendig werden sollte, dieser aber nicht mehr ausgeführt werden kann, dann ducken wir uns nach unten weg, geben den Leuten der Hundertschaft freies Schußfeld und leuchten ihnen zusätzlich mit unseren Lampen. Alles klar?“ „Ja !“ flüsterte Heinze, während alle anderen nur nickten. Ein Krachen und Brüllen schallte aus dem Teil des Tunnels zu ihnen, der hinter der Biegung lag, so, als würde sich ein schweres Lebewesen mit Wut gegen ein Gitter werfen. „Äußerste Vorsicht!“ warnte Kamm, während sie nun die Biegung paßierten. Was sie dann erblickten ließ sie erschauern. Nur für Lopez war es ein altvertrauter Anblick. Eine Kreatur, wie aus einem Genversuchslabor. Wie eine Kreuzung verschiedener Raubtiere, in deren Gestalt aber auch ansatzweise eine menschliche Grundform zu erahnen war. Auf den ersten Blick erschien sie wie ein übergroßer Wolf. Es waren nicht nur die rotglühenden Augen, die der Kreatur ein extrem aggressives Aussehen verliehen, sondern auch ihre schnellen, geschmeidigen Bewegungen, sowie die gefletschten Zähne ihres ausgeprägten Raubtiergebisses. Mit blitzschneller Drehung wandte sich die Kreatur ihren Verfolgern zu, als diese hinter ihr erschienen. Knurrend und Zähne fletschend verharrte sie einen Augenblick und fixierte sie mit halb zugekniffenen Augen. Als sie sich duckte, um scheinbar zum Sprung anzusetzen, rief Kamm: „Schießen sie Lopez, schießen sie!.“ Lopez hatte bereits angelegt und visierte die Kreatur an, die vor einem, den Tunneldurchgang blockierenden, massiven Stahlgitter stand und von sämtlichen Handlampen angestrahlt wurde. Lopez zog den Abzug des Betäubungsgewehres durch. Doch die Impfkartusche verfehlte ihr Ziel, da die Kreatur sich blitzschnell weiter duckte und zur Seite ausfiel. Lopez lud blitzschnell nach. Den Umgang mit dieser Art Gewehr hatte er damals in vielen ähnlichen Situationen in Spanien gelernt. Sofort legte er wieder an auf die nun noch aggressiver werdende Kreatur, die ja eigentlich ein Mensch war. Wieder ein Schuß. Wieder verfehlte Lopez sein Ziel, weil die Kreatur wiederum schnell zur Seite weghuschte. Doch diesmal setzte sie unbestreitbar zum Sprung nach vorne an, das erkannte Kamm sofort. „Lopez, wir müßen schießen. Sie setzt zum Sprung an“. „Noch nicht bitte, Senora Kamm. Diesmal treffe ich bestimmt“, antwortete Lopez, der hektisch dabei war eine weitere Kartusche aus dem Köfferchen zu reißen, als er dieses kurz aus dem Griff verlor und es seitlich wegrutschte. Durch eine halbe Drehung, fielen alle weiteren Kartuschen ins Wasser. Nur die eine, die Lopez in der Hand hatte, war jetzt noch übrig. Das „verdammt“ von Kamm ignorierte Lopez und wollte gerade die Kartusche laden, als ihm diese von hinten aus der Hand gerissen wurde. Lopez drehte sich und erblickte Michael, der sich an ihm vorbeidrängte. Bevor er noch irgendwie reagieren konnte, war Michael schon dabei sich an Heinze vorbei zu schieben, der davon ganz überrascht wurde. Kamm, ihre Waffe auf die Kreatur richtend, erblickte die Szenerie an der rechten Seite und erkannte, daß Michael mit der Kartusche zu der Kreatur wollte. „Verdammt! Wo kommt der den jetzt her“, rief sie und blickte dabei mehrmals kurz Heinze an, der ein ratloses Gesicht machte. „Seien sie nicht verrückt! Machen sie keinen Quatsch!“ rief sie Michael zu. „Das ist die letzte Kartusche. Ich habe gerade alles mitbekommen, als ich angekommen bin. Von dieser Kartusche hängt Svenjas Leben ab, da will und muß ich jedes Risiko ausschließen“, antwortete Michael mit weinerlicher, aber entschlossen klingender Stimme und Tränen in den Augen. Als er sich auch schon umdrehte und der Kreatur zuwandte, die nun unmittelbar vor dem Sprung zu sein schien. „Sie wissen doch nichtmal, ob das wirklich Svenja ist“, rief Kamm und fügte hinzu, „Glauben sie denn wirklich an so einen Unsinn wie Werwölfe? Sowas gibt es in der Realität doch nicht, das wissen sie doch auch.“ Kamm wußte zwar in diesem Moment selber nicht mehr, was sie eigentlich noch glauben sollte und was nicht, aber sie versuchte gerade einen verzweifelten Menschen von einer selbstmörderischen Aktion abzuhalten und dieser psychologische Trick war die letzte Chance dazu. Michael reagierte jedoch nicht mehr, sondern ging langsam aber entschlossen auf die geduckte Kreatur zu, die ihn lüstern und gefährlich knurrend fixierte. „Senor, sie haben keine Chance. Glauben sie mir. Sie kommen nicht an sie heran. Sie wird sie vorher töten“, rief Lopez ihm von hinten zu. Michael ignorierte es und schob sich weiter durchs Wasser vorwärts. „Alle halten sich bereit!“, rief Kamm nach hinten. „Schießen, erst auf mein Kommando!“, fügte sie noch hinzu, während sie seitlich von den Gewehrschützen der Hundertschaft in die Hocke ging und Heinze und Lopez durch Gesten zu verstehen gab, das gleiche zu tun. Nun konnten sie nur noch tatenlos zusehen, was sich ereignen würde. „Svenja!“, rief Michael der Kreatur zu. „Svenja, erkennst du mich? Ich lasse nicht zu, daß du getötet wirst. Ich werde dich retten.“ Michael hatte seinen letzten Satz gerade beendet, als die Kreatur vorschnellte und sich mit lautem Brüllen auf ihn stürzte. Ein Prankenhieb traf ihn hart ihm Gesicht und riß ihm die linke Wange auf. Michael taumelte benommen zurück, während die Kreatur nachsetzte. Schon packte sie ihn mit ihrem Maul an der Kehle. Im selben Augenblick stach Michael instinktiv zu und rammte ihr die Spitze der Impfkartsuche in die Brust, wo sie stecken blieb. Für einen Moment schienen alle Bewegungen der Beiden zu erstarren und nur das gequälte Röcheln und Gurgeln Michaels war zu vernehmen. Kamm erhob ihre rechte Hand; die Schützen legten den Finger auf ihren Abzug. Die Nerven aller waren zum zerreißen gespannt. Kamm brauchte ihre Hand nun nur noch herunterreißen, dann würden sämtliche Waffen anfangen Geschosse auszuspucken. Doch plötzlich schien es, als würde etwas aus dem Körper der Kreatur entweichen, als würde sie alle Kraft verlassen. „Er hat sie erwischt! Sie hat die Impfdosis erhalten.“ Lopez war es, der dies erkannte. „Dieser Teufelskerl hat es tatsächlich geschafft“, entfuhr es Heinze mit bewunderndem Unterton. Kamm biss sich auf die Unterlippe. Sie fragte sich gerade, wie schwer Michael verletzt sei, denn auch sein Körper erschlaffte plötzlich und zu dem Blut von der Gesichtsverletzung kam jetzt noch Blut, das von seinem Hals herablief. Schließlich sackten beide nach unten und fielen ins Wasser. „Ich denke wir können jetzt hingehen“, sagte Lopez zu Kamm, die daraufhin den Einsatzkräften die Anweisung gab, die Gewehre runter zu nehmen. Mit vorgehaltenen Waffen näherten sie sich den beiden leblos daliegenden Körpern. Als sie, sie erreicht hatten, bäumte sich der Körper der Kreatur plötzlich auf und wurde von Krämpfen geschüttelt. Unbeschreibliche Laute einer gequälten Kreatur drangen aus ihrer Kehle. Sofort rissen die Leute der Hundertschaft ihre Waffen wieder hoch. Doch Lopez stellte sich vor sie, breitete seine Arme aus und bedeutete ihnen, durch langsame Auf- und Abwärtsbewegungen, daß keine Gefahr mehr bestand. „Der Umwandlungsprozess hat begonnen“, sagte er wieder Kamm zugewandt. „Wie lange dauert das?“ wollte Heinze wissen, während Kamm über Funk Krankenwagen anforderte. „Mindestens eine Stunde, sagen unsere Wissenschaftler“, antwortete Lopez. „Die betroffenen Personen konnten sich nach der Umwandlung an nichts mehr erinnern, was sich nach der Verwandlung ereignete. Ich denke, daß es hier auch nicht anders sein wird.“ Kamm bemühte sich um Michael, der noch lebte und röchelte. Während Lopez und Heinze sich um die Kreatur kümmerten, kniete Kamm im Wasser und hielt den Oberkörper Michaels in ihren Armen. Einer der Hundertschaftler versuchte die Blutung an Michaels Hals zu stoppen, indem er diesen verband. Doch Kamm spürte, daß es zu spät war. Der Blutverlust war schon zu groß. Flackernd öffnete Michael seine Augen und blickte in die Kamm‘s hinauf. „Was ist mit Svenja? Lebt sie?“ fragte er mit schwacher Stimme und zitternden Lippen. „Ja“, antwortete Kamm, „sie haben sie gerettet“. Ein Lächeln huschte über Michaels Gesicht. „Ich hab wohl Pech gehabt. Ich schaffs nicht“. „Doch! Sie schaffen es. Sie müßen nur durchhalten“, erwiderte Kamm und spürte doch, daß er Recht hatte. „Ich habe vorhin mitbekommen, als Senor Lopez sagte, daß Svenja von ihrer Verwandlung nichts wissen wird. Bitte sagen sie ihr nichts davon, daß ich durch sie starb. Sie kann nichts dafür und ich möchte nicht, daß sie sich Vorwürfe macht. Ich möchte, daß sie glücklich ist.“ „Ich versprechs ihnen: Von uns wird sie es nicht erfahren.“ Kamm wurden die Augen feucht, ob der großen Liebe, die dieser Mann für seine Freundin im Herzen trug. Dann fiel Michaels Kopf langsam zur Seite und sein Körper erschlaffte. Seine linke Hand öffnete sich und Kamm sah ein silbernes Kruzifix, das sie an sich nahm bevor es ins Wasser fallen konnte..... *.... Seit sie im Krankenhaus aufgewacht war, kümmerten sich alle sehr liebevoll um Svenja und verhielten sich so, als hätten sie Kenntnis von einem sie umgebenden Geheimnis. Reportern und Polizisten hatte sie schon Fragen beantwortet, doch meistens mußte sie antworten: „Ich weiß nicht. Ich kann mich an nichts erinnern.“ Und in der Tat fühlte sie sich, als hätte sie eine Alkoholvergiftung gehabt und in Folge dessen einen sogenannten Filmriss, ein Blackout. Sie hielt ihr Kruzifix in der Hand, das diese Polizeikommissarin, Kamm, ihr gestern aushändigte, mit der Erläuterung, daß sie es in Michaels Hand gefunden hätte. Svenja wußte immer noch nicht, wie Michael denn genau umgekommen war. Irgendwie wich man ihren Fragen danach aus. Diese Kamm genauso, wie ihr Kollege. Und auch diese beiden Spanier. Sie spürte, daß man sie schonen wollte. Doch sobald sie wieder ganz auf den Beinen war, würde sie es herausfinden, das nahm sie sich fest vor. Die Tränen liefen Svenja die Wangen herab, als sie auf Michaels Foto schaute, das Michaels Mutter ihr auf das Tischen neben ihrem Bett gestellt hatte. Sie streichelte zärtlich über ihren Bauch und ein liebevolles Lächeln überzog plötzlich ihr von Trauer gezeichnetes Antlitz. Im Geiste hörte sie wieder die Stimme des Arztes, als er ihr sagte, sie sei schwanger. Es gab ihr Kraft und Trost zu wissen, daß ein Teil Michaels in ihr heranwuchs und ein Kind ihrer großen Liebe bald das Licht der Welt erblicken würde. .... .... .. .. .. .. .. .. ENDE.... .. .. .. ..